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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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samt Anhangskapiteln ließ sich für diese Situation verwerten. Ihr Ehegatte hatte sauschlechte Laune. Er war gut acht Meter entfernt, kehrte ihr den Rücken zu und hätte ebensogut auf einem anderen Planeten sein können. Es gab ein dumpfes Rumsen, als ein weiterer Gegenstand zu Boden fiel.
    Nun stand sie auf, so daß er sie sehen konnte, wenn er sich umwandte, zog sich das Sweatshirt über den Kopf und ließ die Jeans herunter. Sie war jetzt in Unterwäsche, in dem Seidenslip und dem BH für sechzehn Dollar neunundneunzig aus dem Kaufhaus in Anchorage, und sie wollte, daß er sie darin sah, wollte ihn anturnen und ihren Waschbrettbauch und die Rundungen ihrer Hüfte und ihre langen, schlanken Beine begutachten lassen. Die Stimme blieb ihr im Halse stecken. »Sess«, wollte sie sagen, »Sess, warum drehst du dich nicht mal um?«, aber sie brachte es nicht heraus. Ein endloser Moment versickerte, und sie mußte an ihre Schulzeit denken, an ein Date mit Gary Miranda im Fernsehzimmer im Haus ihrer Eltern, die beide ihrer Arbeit nachgingen, an die Platters und die Ink Spots, deren honigsüße Musik aus der Anlage gekleckert war, und an seine heiße Zunge und wie sich das Ganze angefühlt hatte. Seine Zunge war feucht und gierig und unermüdlich, und er sog ihre eigene Zunge in seinen Mund und saugte daran, als wäre sie ein Pfefferminzbonbon oder ein Lutscher, und sie bekam ein lasterhaftes, richtig wildes Gefühl davon, aber sie ließ ihn niemals ihre Brüste oder sonst etwas anfassen, weil sie das einfach nicht gut fand. Im College gab es Petting, überall wurde heftig geledert und gerieben, den Jungs schienen Extrahände zu wachsen, sie bedrängten sie wie kleine Aufziehsoldaten, Rhythmus und Bewegung funktionierten ebenso automatisch wie ihr Herzschlag – die Hälfte ihrer Kommilitoninnen im Studentenheim gingen mit ihren Freunden bis zum Letzten und waren noch stolz darauf. Auch Pamelas Unterhose, ihr Rock, ihre Jeans waren oft so naß, als wäre sie in einen See gestürzt, aber kein Junge brachte sie je dazu, mehr als ihren BH auszuziehen, nicht einmal Eric Kresten, und mit dem ging sie immerhin fast zwei Jahre lang. Und dann war sie Anfang Zwanzig, und Fred Stines besuchte sie in ihrer Wohnung, und sie zog sich bis auf den Slip für ihn aus, während er sie überall anfaßte, wo seine Finger hinkamen, und an ihren Brustwarzen saugte wie ein ausgehungertes Hundebaby, und sie spürte, wie sie immer wieder beinahe schwach wurde, aber es passierte nicht.
    Bei Howard Walpole war es anders. Die drei Tage mit ihm waren Teil der Abmachung, des Programms, das sie sich vorgenommen hatte, und obwohl sie längst wußte, daß Sess ihr Mann war, obwohl sie es schon wußte, bevor sie zu ihm ins Kanu kletterte und dort seinen Körper hinter sich spürte, als perfekten Ausgleich für den eigenen, mußte sie es doch durchziehen, denn sie war nun einmal diese Sorte Frau: Was man verspricht, das muß man halten. So empfand sie eben. So war sie einfach. Aber Howard – Howard war steif wie ein Brett. Er drückte ihr die Hand, als wären sie Unterhändler für einen weihevollen Waffenstillstand zwischen verfeindeten Parteien, aber er kam nicht einmal darauf, ihre Wange mit seiner zu streifen oder sie als Willkommensgruß wenigstens kurz zu umarmen. Er streckte ihr nur die Hand hin, dachte sich ein paar Gemeinheiten für Sess aus und warf dann seinen Zwillings-Außenbordmotor an.
    Es war ein scharfer, beißender Tag, Schaumflecken krönten die Flußwellen, der Wind trieb ihr feine Regentröpfchen ins Gesicht. Sie saß vorne, Howard Walpole im Heck. Der Glasfaserrumpf des Boots schlug wieder und wieder auf dem Wasser auf, klatsch, klatsch, klatsch, und der Motorenlärm machte jede Unterhaltung reichlich anstrengend. Sie hielt sich fest und dachte, wieviel netter es doch im Kanu gewesen war, das langsamere Tempo, das lautlose, fließende Vorankommen, das sich nicht gleich dem Fluß, den ziehenden Vögeln und scheuen Säugetieren, ja, dem ganzen Tag aufdrängte. »Hübsches Boot!« rief sie über die Schulter nach hinten, aus reiner Höflichkeit, nur um etwas zu sagen, aber Howard, der sich eine Wange mit Kautabak ausbeulte und die speckige Kappe gegen den Wind so tief ins Gesicht gezogen hatte, daß sie aussah wie auf den Kopf geklebt, nickte dazu nur. Die Fahrt dauerte ewig. Sie sagte kein Wort mehr und er ebensowenig.
    Nach der Ankunft aber, sobald der Bug seines Bootes auf das Ufer unterhalb seines Hauses geglitten war und die Hunde

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