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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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einen breitkrempigen weichen Filzhut, der ihre Augen verdeckte, so daß er ihrer Miene nichts entnehmen konnte – so leichtfüßig und graziös hinaus, als würde ein Windstoß sie tragen. Er senkte den Kopf. Holte tief Luft. »Und?« fragte er.
    Sie schenkte ihm ein Lächeln, immerhin. »Tja, ich muß jetzt erst mal für ein paar Tage zurück nach Anchorage«, sagte sie. Hinter ihr war Howard zu sehen, der mit der Vorleine in der Hand herumwanderte, um sie an einem geeigneten Felsen oder Baumstumpf festzumachen.
    Sess starrte Pamela an. »Wieso?«
    Sie blieb unmittelbar vor ihm stehen, und sie verzog keine Miene und sah auch nicht beiseite. »Wieso? Na, um mir ein Brautkleid zu besorgen, was glaubst du denn? Und um meine Schwester zu holen, die die Brautjungfer spielen soll, und meine Mutter – die muß schließlich erst aus Arizona einfliegen. Ich wollte ja schon immer im Juni heiraten.«
    Immer noch nichts. Immer noch kapierte er nicht. Er war ein Spielball der Winde, nicht viel tatkräftiger und geistreicher als ein im Fluß gefangener Lachs, den man aufgeschlitzt und zum Trocknen ausgelegt hatte.
    Ein langer Augenblick verstrich, der längste seines Lebens, und dann fragte sie ihn: »Wie wär’s mit dem Einundzwanzigsten, Sess? Würde dir das passen?«

10

    Pris brachte die Hochzeitstorte auf der Ladefläche ihres Kombis den ganzen Weg von Anchorage bis Boynton, und es war eine Torte, wie man sie in Boynton noch nie gesehen hatte, jedenfalls nicht mehr seit den Tagen des Goldrauschs, als es zu allen möglichen Exzessen gekommen war: fünf Etagen, mit abwechselnden Schichten aus rosa und weißem Zuckerguß glasiert, innen weißer Biskuitteig, und obendrauf stand die Plastikfigur einer verschleierten Braut Arm in Arm mit einem bärtigen Trapper im Holzfällerhemd. Pamelas Mutter traf mit einem Buschflieger ein, zwei Hüpfer und ein weiter Satz vom Flugplatz von Fairbanks herüber, Wetter nicht weiter schlimm, ihr Lächeln war ungetrübt und bestrahlte jeden im Ort wie eine zweite Sonne, sogar die Typen mit Buschkoller und die Indianer. Auch Pamela selbst – die sich mit Pris im Hinterzimmer von Richard Schraders Haus eingerichtet hatte, um Make-up aufzulegen und in das weiße Satinkleid mit Brüsseler Spitze zu schlüpfen, das ihre Mutter zu einer ähnlich bedeutsamen Gelegenheit getragen hatte, zwei Wochen nachdem die Japaner über Pearl Harbor hergefallen waren – konnte offenbar nicht aufhören zu lächeln, und sie wollte es auch gar nicht. »Gib mir einen Zug davon«, sagte sie, während sie vor dem Spiegel stand, und wies auf das Spiegelbild der Zigarette, die von der Unterlippe ihrer Schwester hing.
    »Was?« fragte Pris, die ihr das Haar mit einem Schildpattkamm fiederte, und hob die nackten Arme.
    »Einen Zug. Von deiner Zigarette.«
    »Dir? Aber du rauchst doch gar nicht.«
    Ihr Blick heftete sich auf den ihrer Schwester im Spiegel, und es war, als wäre sie wieder zehn Jahre alt. »Heute aber doch. Heute werde ich alles tun.«
    Und dann versammelten sie sich in dem gemeinschaftlichen Hof, der Richards Haus mit der Baracke von Sess vermählte, und aus dem Hof war der herumliegende Schrott – abgefahrene Reifen, rostige Maschinenteile, weggeworfene Geweihe, Holzkisten, Benzinfässer und Schnapsflaschen, Fischernetze, Badewannen, Fallen, kaputte Schneemobile und lecke Kanus – auf die Rückseite der Gebäude und damit einstweilen außer Sicht geschafft worden. Sess trug ein Fischgrätenjackett, das er sich für diesen Anlaß geliehen hatte, dazu eine Krawatte, so dünn wie ein Bändchen, und das Weiß seines Oberhemds hätte weißer und die Jackettärmel hätten länger sein können, aber es war ja keine Modenschau, und die Fotografen von Vogue schienen ohnehin zu Hause geblieben zu sein an diesem sonnigen Nachmittag. Die Braut und ihre Schwester hatten den Großteil einer Halbliterflasche Pefferminzlikör miteinander geteilt, außerdem ein halbes Dutzend Kippen, und Pamela hatte keine Bedenken, als sie vorsichtig die verwitterten Stufen auf der Rückseite von Richard Schraders Haus hinuntertrippelte, hinein in die Leere, die ihr wanderlustiger Vater hinterlassen hatte.
    Denn weil es niemanden gab, der die Braut zum Altar führen und dort freigeben konnte, hatte Sess den ältesten Mann des Ortes, Tim Yule, gebeten, diese Funktion zu übernehmen, und jetzt hakte sich Tim bei ihr ein, und sie duchschritten den Hof zu den Klängen von »Here Comes the Bride«, dargeboten auf Skid Dentons Mundharmonika.

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