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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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war.
    »Meine Frau wird jede Menge Beschäftigung haben«, sagte Sess, und dabei stahl sich ein Hauch von Verschmitztheit in seine Stimme, »Tiere häuten, Leder gerben, Eis aus dem Fluß heranschleppen, damit wir Wasser haben, Holz für den Herd spalten, nähen, flicken, die Hunde füttern – na ja, und mich füttern, wenn wir schon dabei sind. Dafür sind Ehefrauen doch da, oder?«
    Ihre Mutter trank seit drei Stunden Wodka. Die Sonne knallte auf ihr Gesicht, beleuchtete grausam die dünnen Hautlappen, die der Schönheitschirurg in Arizona ihr wie Wildleder über die Backenknochen gezogen und rund um die Augen gestrafft hatte. Sie stieß ein kurzes Lachen aus und ergriff dann Sess’ anderen Arm, den freien, um sich bei ihm einzuhängen. »Wenn du mich fragst«, sagte sie und legte eine Kunstpause ein, »dann gibt’s nur eine Sache, bei der eine Frau gut, wirklich gut sein muß ...«
    Sess lief rot an, und ihre Mutter, die das Spielchen genoß, fuhr gleich fort: »Aber ich glaube ja nicht, daß ich einem erwachsenen Mann wie dir erklären muß, was genau das ist, oder etwa doch, Sess?«
    In diesem Moment stieß Pris mitten aus dem Gewühl der Tanzenden einen Juchzer aus, worauf sie alle drei den Kopf drehten und sie im festen Griff von etwas Unbändigem sahen, eines wild herumtobenden schwarzhaarigen Knäuels von Bewegung, das ohne weiteres ein Bär hätte sein können, der ihr an die Kehle ging, doch es war etwas anderes. Pamela brauchte einen Moment, bis sie begriff, weil sie die Menschen hier noch nicht kannte und zudem im Wirbelwind ihres ganz persönlichen Dramas gefesselt war: Joe Bosky hatte sich auf die Party eingeladen. Er trug ein verwaschenes Militärhemd und die Bluejeans, die für ihn offenbar eine zweite Haut bildeten, dabei wackelte er mit den Beinen wie ein Spastiker und beugte sich vor, um Pris an seinem rechten Arm wie mit einem Quirl im Kreis zu drehen. Und Pris, sehr hübsch in fliederfarbenem Satin und mit hochgestecktem Haar, hatte natürlich keine Ahnung, wer das war, welche Motive ihn bewegten und daß ausgerechnet er als einziger Einwohner von Boynton und Umgebung nicht eingeladen war. Absichtlich und ausdrücklich nicht eingeladen. Pris hatte jenen zügellosen Blick aufgesetzt, den Pamela nur allzugut kannte, ihren Zigarettenblick, den Wodkablick, den Blick, der besagte, daß die Party eben erst anfing und sie nicht mehr zu bremsen war. Joe Bosky nahm sie sich zur Brust, wirbelte sie von sich und zog sie erneut dicht an sich heran. Wieder juchzte sie laut auf, und man hörte ihr atemloses, gellendes Kreischen über dem Getöse der Band wie den Paarungsruf eines exotischen Vogels.
    Pamela spürte, wie sich Sess anspannte. Ihre Mutter bemerkte: »Sieht so aus, als ob meine Jüngste auch nicht in der Ecke sitzen bleibt. Aber mir gefällt das nicht, wenn sie ihr Haar so hoch trägt. Gefällt dir denn das, Pamela?«
    Pamela antwortete nicht. Sie hatte den Arm um ihren Mann gelegt – mein Mann , dachte sie, ich umarme meinen Mann –, und sie war der Pfeiler im Boden, sie war eine stabile Kette, denn am Tag ihrer Hochzeit würde es keine Schlägerei geben, nicht heute, o nein. »Sess«, warnte sie, »Sess!« Und dann trat sie mit vor ihn und legte auch den anderen Arm um ihn. »Ich möchte tanzen, Sess«, sagte sie. »Komm schon. Laß uns tanzen.«
    Doch dann wurde sie von hinten geschubst, und ein Mann, den sie nicht kannte – Anglerhut mit einer Adlerfeder im Band, zerschlissenes blaues Oberhemd, Bart, Mundgeruch nach Hefe, Haare in den Ohren –, packte sie alle beide in einer titanischen Umarmung, drückte fest zu und schaukelte sie dabei. »Sess!« brüllte er ihr ins Ohr. »Pamela! Gratuliere euch beiden! Alles, alles Gute! Und so weiter und so fort!«
    »Ogden«, sagte Sess, und sie spürte, wie er sich entzog, wie er sich loszureißen und sich wieder dem Blutopfer dieser Zeremonie zuwenden wollte. Pris kreischte erneut auf. Ogden packte noch fester zu, und dann kapierte Pamela.
    »Wir kümmern uns darum«, sagte Ogden, und seine Stimme klang wie ein Boot, das über eine Sandbank schabte, »ich und Richard und Iron Steve. Entspannt euch. Ja? Nur ganz ruhig.« Er ließ sie los und war schon wieder weg, watete durch die Menge auf Kollisionskurs mit Pris und Joe Bosky. Pamela sah, wie von der einen Seite ein großer Mann mit massigem Kopf herankam, von der anderen Richard Schrader, der eine grimmige Miene aufgesetzt hatte. »Dieser Dreckskerl«, fauchte Sess, und sie umarmte ihn noch

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