Grün war die Hoffnung
Ausbeuten und Plündern waren sie gekommen, daran dachten sie, an sonst nichts. Gold wollten sie davonschleppen, Fleisch und Felle, dann wurden die Zelte wieder abgebaut, und man verdrückte sich nach Cleveland oder Sacramento, nach Montpelier oder Miami Beach.
Wetzel Setzler mußte gut dreitausend Artikel auf Lager haben, von Zündkerzen, Schrotpatronen, Angelködern, Biberfallen und Rohrlegerzangen über Maraschinokirschen, Thermosocken, Overalls, Wachsbohnen in Dosen und Alkoholika aller Art bis zu sechzehn verschiedenen Sorten Süßwaren und Kaugummi, und alles lag in seiner eigenen Schachtel, präzise ausgepreist in handgeschriebenen Zahlen, die so einheitlich aussahen, als wären sie vom Hersteller aufgestempelt. In der Mitte des Verkaufsraums gab es einen Ofen mit ein paar Stühlen ringsherum, alle möglichen Sachen baumelten von Haken in den Deckenbalken herab, und daneben stand ein Kühlschrank mit Glasfront voller Limo und Cola, Dosenbier und sogar Milch, Butter und Schlagsahne, die einmal pro Woche aus einem Supermarkt in Fairbanks geliefert und hier zum dreifachen Preis verkauft wurden. Ohne den Kühlschrank hätte der Laden aus einem Band mit historischen Fotos, vielleicht sogar Daguerreotypien stammen können, die Sorte Bücher, die bei ihrer Mutter auf dem Beistelltischchen lagen, damit Gäste darin blättern konnten: Wie unsere Vorväter lebten oder Ländliche Läden im Alten Westen.
Als Pamela zur Tür hereinkam, war niemand zu sehen, obwohl es zehn Uhr war und die Leute auf den Straßen auf und ab gingen wie Blutgerinnsel, die sich langsam den Weg durch die Adern des Ortes bahnten. Eine Glocke über der Tür kündigte ihr Kommen an, aber weder Wetzel Setzler noch ein Ladenjunge, falls diese Spezies hier oben existierte, tauchte aus dem Hinterzimmer auf, um sie zu bedienen. Es war unheimlich still, als existierte dieser Ort außerhalb der Zeit; Licht drang nur durch die Fenster herein. Ihr kam der Gedanke, sie könnte den Laden glatt ausrauben, sich nehmen, was sie wollte, was sie nur tragen konnte, und gegenüber einen Konkurrenzladen eröffnen, und sie würden es gar nicht merken. »Hallo?« rief sie. »Irgend jemand da?«
Da sah sie ins Maul einer Bärenfalle, die an einer Kette von der Decke hing, ein riesengroßer, matt glitzernder Keil aus schwarzblauem Stahl. Das war eine Falle, die es ernst meinte, tödlich und unnachgiebig, und sie stellte sich vor, wie das Ding dicht neben einem Kadaver oder auf einem Wildpfad kunstvoll getarnt lag, und der kurze Moment, in dem sie in die Zähne der Falle blickte, ließ sie deren Grausamkeit fühlen. War es vielleicht das, was Sess ihr neulich erzählen wollte, als sie sich betrunken hatten? Es war eine Falle. Ein notwendiges Beiwerk des Lebens in der Wildnis. Man fing Tiere damit, und dann tötete man sie, häutete sie und verfütterte sie an die Hunde, und mit dem Geld für die Felle konnte man Zucker, Kaffee, Patronen und weitere Fallen kaufen. Darauf ließ sie sich ein, und es war ja auch eine persönliche Entscheidung, war Vergnügen und Neigung, außerdem ging es ums Überleben – all diese getöteten Tiere ernährten sie mit ihrem Leben, als wäre sie eine Göttin mit hohem Anspruch auf Opfer.
Gleich neben der Falle prangte, angenagelt an einen lackierten Querbalken, eine altmodische Fahrradhupe mit matt gewordenem Messingschaft und schwarzem Gummibalg. Ehe sie recht nachdachte, drückte sie die Hupe, und ein leises Tröten gab ihre Anwesenheit nochmals bekannt. »Hallo?« rief sie erneut.
Keine Antwort.
Aber vielleicht war der Laden gar nicht offiziell geöffnet, das könnte der Grund sein. Oder sie waren hier alle so vertrauensselig, daß sie die Türen unverschlossen ließen, und die Leute konnten reinkommen, sich ihre Einkäufe aussuchen und auf Ehre und Gewissen das Geld dalassen. Weiter hinten sah sie eine Tür mit der wiederum handgeschriebenen Aufschrift Büro , und sie ging hin und drückte die Klinke. Der Form halber klopfte sie mit den Fingerknöcheln der linken Hand an, während sie die Tür aufstieß, und schon stand sie auf der Schwelle einer fensterlosen Kammer mit einem Schreibtisch, einem Aktenschrank und diversen Kartons voller Alkohol, vom Boden bis zur Decke an der Wand gestapelt. Der Geruch nach verbranntem Wachs oder Lampenöl, irgend etwas Chemisches jedenfalls, vermischte sich mit dem Duft nach Fichtennadelessenz und dem Schimmelgestank, der damit wohl bekämpft werden sollte.
Sie blieb in der Tür stehen, die Dielen
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