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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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kein Schlüssel steckte, da war nur ein blitzender leerer Schlitz, der sie anstarrte wie ein blindes Auge. Und weiter unten, unter der Lenksäule, hing eine Art Stecker in einem Bündel loser Kabel.
    Ein Augenblick verstrich, das Gestrüpp flog zu beiden Seiten vorbei, die Bäume knatterten wie Fahnen in einer steifen Brise. Dann fischte er etwas unter dem Sitz hervor, den Kopf schief gelegt, um die Straße mit einem Auge im Blick zu behalten. »Hier«, sagte er, setzte sich wieder gerade und hielt ihr eine Dose Oly hin, »ich bin dir schon etwas voraus, und du hast doch gesagt, wir könnten uns heute ruhig jeder ein Bier gönnen.« Er klemmte sich eine zweite Dose zwischen die Oberschenkel und mühte sich mit dem Verschluß ab, dabei kam der Wagen kurz ins Schleudern, fing sich jedoch gleich wieder.
    Sie nahm das Bier, machte es auf und trank einen Schluck. »Du bist betrunken, liegt es daran? Benimmst du dich deswegen so seltsam?«
    Sein Grinsen war verflogen, als er unter dem Sitz gewühlt hatte, jetzt aber kam es zurück, breiter als zuvor. »Zum Teufel, nein, Pamela – ich meine, zwei Bier und ein Schokoriegel auf fast leeren Magen. Ich fühl mich einfach gut, sonst nichts. Fühl mich super. Einfach Spitze.«
    Sie hielt das Bier im Schoß und sah ihn forschend an. »Wo hast du den Wagen her, Sess?«
    Er blickte starr geradeaus, das Grinsen war auf seinen Lippen erstarrt. Er zuckte die Achseln, sah sie aber nicht an. »Von sonstwo.«
    »Ach so?« sagte sie und fand es nicht mehr lustig, nicht im geringsten. Es war ein Verbrechen, das war es. Unverantwortlich. Und falsch. »Und wieso steckt kein Zündschlüssel drin? Und was soll dieser Kabelsalat da unten?«
    Wieder ein Achselzucken. Er setzte das Bier an die Lippen und jagte erneut den Motor hoch. »Hab ihn mir ausgeborgt.«
    »Ausgeborgt? Von wem?«
    »Probieren wir mal, ob wir im Radio was erwischen?«
    »Von wem, Sess?«
    Jetzt sah er sie an, das Grinsen war verschwunden. Irgend etwas – ein lohbrauner Blitz – huschte knapp vor ihnen über die Straße. »Von Joe Bosky.«
    »Von Joe Bosky?« wiederholte sie, als hätte sie ihn nicht richtig verstanden, und vielleicht traf das ja zu – vielleicht hatten das Dröhnen des Motors und der Fahrtwind ihren Ohren einen Streich gespielt.
    Er antwortete nicht, sondern starrte nur auf die breite beigefarbene Zunge der Straße vor ihnen.
    »Du meinst den Joe Bosky, den du vor ein paar Wochen noch am liebsten umgebracht hättest? Den Joe Bosky?«
    Sie musterte sein Profil, aber er gab nicht nach. »Wir sprechen hier von Autodiebstahl, Sess. Wir sprechen von einer Gefängnisstrafe. Ist es das wert? Ist es das wirklich wert, nur um, ja was – um anzugeben? Den starken Mann zu markieren? Tust du das gerade? Gibst du vor mir an?«
    »Auge um Auge. Tust du mir weh, tu ich dir weh. Hier draußen gilt das Gesetz des Dschungels, Pamela, daran gewöhnst du dich besser bald.«
    »Jetzt red doch nicht solchen Mist«, sagte sie, »das solltest du nicht mal denken«, aber sie fuhren weiter, fuhren zu schnell, und die Steine flogen auf, um an Joe Boskys 1965er Shelby Mustang GT350 den Lack zu punktieren und das Chassis zu ruinieren, dem Wagen, den er an seinem ersten Tag in San Diego gekauft hatte, nach seinem zweiten Einsatz in Vietnam, von dem hinterlassenen Geld seiner verstorbenen Mutter, und den er dann nach Anchorage hatte transportieren lassen, um ihn mit fünfunddreißig Stundenkilometern über Fairbanks nach Boynton zu fahren und in der einzigen Garage des Orts abzustellen, gepachtet von Wetzel Setzler für zehn Dollar pro Monat. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte. Sie war wütend. Das war alles so kindisch, zwei ausgewachsene Männer, die einander beharkten, und welchen Nutzen erhoffte sich Sess davon? Seine Hunde waren tot, und er rächte sich an Joe Boskys Auto? Aber was war, wenn Joe Bosky davon Wind bekommen hatte, denn immerhin hatte Sess mitten auf der Hauptstraße herumgehupt, so daß ihn alle Welt hören und sehen konnte. Und wenn er daraufhin über Wetzel Setzlers Funkgerät den Sheriff gerufen hatte? Was dann?
    »Halt den Wagen an, Sess«, sagte sie. »Halt sofort an. Ich werde bei dieser Sache nicht mitmachen.«
    Seine Hände umklammerten das Lenkrad. Er sah starr geradeaus. »Du machst bereits mit.«
    Am Rand des Steese Highway stand ein Streifenwagen, als sie Fairbanks erreichten, ein langgestrecktes, unheimlich aussehendes Coupé, auf dessen Windschutzscheibe die Sonne blitzte, so daß man nicht

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