Grün war die Hoffnung
Rennauto, das völlig fehl am Platze war in einer Ortschaft, wo man seine Fahrzeuge behandelte wie Schlittenhunde, und wer keinen Pickup besaß, der hatte einen Kombi. Zuerst dachte sie, der Mann am Steuer müsse ein Tourist aus Anchorage oder aus einem der südlichen achtundvierzig Staaten sein, aber er schien ihr durch die Windschutzscheibe Zeichen zu geben, und da war wieder dieses Hupen, beharrlich, bedeutungsvoll, ja vertraut. Es dauerte einen Moment, dann mußte sie lachen, weil sie nicht einmal den eigenen Ehemann erkannte, denn er war es, beugte sich jetzt aus dem Fenster und winkte sie mit den drängenden gekrümmten Fingern beider Hände zu sich. Na schön. Aber da stand sie nun genau vor dem sorgfältig ausgepreisten Karton mit Hershey-Schokoriegeln, kein Ladenbesitzer in Sicht und eine lange Fahrt vor Augen. Sie nahm zwei Stück, ohne nachzudenken, und war schon fast an der Tür, als sie sich zusammenriß. Und obwohl Sess noch zweimal auf die Hupe drückte, drehte sie sich um, huschte den Gang entlang zur Registrierkasse auf der hinteren Ladentheke und legte zwei Vierteldollarmünzen hin.
Draußen, bei Tageslicht, wirkte das Auto noch absonderlicher, als wäre es hier im Herzen Alaskas von irgendeinem verrückt gewordenen Rennstallteam abgesetzt worden, das sich einen dieser riesigen Huey-Transporthubschrauber ausgeliehen hatte, wie man sie in Kriegsberichten im Fernsehen sah. Es paßte einfach nicht zusammen – ein Rennwagen in Boynton, zweihundertsechzig Kilometer entfernt von der nächsten asphaltierten Straße. Sie rutschte auf den Beifahrersitz und reichte Sess einen Schokoriegel, während er bereits den Gang einlegte und ein paar Handbreit Schotter in die Luft fliegen ließ. »Netter Wagen«, sagte sie und wurde mit dem Oberkörper in den Sitz gepreßt. »Woher hast du den?«
Er riß den Riegel mit den Zähnen auf, jagte das Auto im ersten Gang hoch und steuerte es mit der linken Hand und dem rechten Ellenbogen durch eine Reihe von Spurrillen und klaftertiefen Pfützen auf die Straße nach Fairbanks. Dann schaltete er in den zweiten, und das Chassis rumpelte über die waschbrettartige Fahrbahn, Dreck flog auf, Steinchen schlugen gegen die Kotflügel wie Maschinengewehrsalven, und sie rasten am Three Pup vorbei, ehe Pamela auch nur anfing zu glauben, daß er ihrer Frage auswich. »Hast du deinen Anruf erledigt?« brüllte er durch das Getöse.
»Es war niemand im Laden«, sagte sie, und die harte Federung der gnadenlosen Sitze verfälschte ihre Worte zu einem zittrigen Vibrato. Er fuhr immer noch nicht langsamer, der Tacho stand auf hundertdreißig, und das auf einer Straße, die auch beim halben Tempo kaum sicher zu nennen war, und was hatte er eigentlich vor, ihr Ehemann mit den breiten Pranken, dem buschigen Haar und dem ins Profil eingeschweißten Grinsen, der die Schokolade im Mundwinkel kaute? Wollte er sie beeindrucken wie ein Teenager, der seine Freundin mit der aufgemotzten Karre seines Vaters abholte? Spielte er für sie den pubertären Macker, war es das, oder war er nur einfach höllisch gut drauf? Aber egal, was der Grund war, er würde den Wagen zerlegen, wenn er nicht langsamer fuhr – oder sie beide umbringen. Sie ergriff seinen Arm. »Sess«, sagte sie. »Sess, fahr doch endlich langsamer.«
Abrupt fiel der Tachometer auf fünfundsechzig, und Sess drehte sich grinsend zu ihr. »Gefällt’s dir?« fragte er, im Mund lauter Schaum aus Schokolade und Spucke, der seine Vorderzähne bedeckte, so daß er aussah wie ein grimassierender Fernsehkomiker, wie Red Skelton oder irgendwer. Es lag etwas Wildes in seinem Blick, ein Brodeln der Gefühle, das sie noch nie bei ihm bemerkt hatte, und sie rief sich ins Gedächtnis, daß sie ihn immer noch entdeckte – schließlich waren das hier ihre Flitterwochen. Er war ihr Mann, und sie liebte ihn, doch wie gut kannte sie ihn nach nur zwei Wochen?
Sie erwiderte sein Grinsen und drückte sein Handgelenk, das auf dem Schaltknüppel lag, während die Reifen auf die Straße schlugen und die Straße zurückschlug. »Klar, nette Kiste. Nur hat sie weder Rücksitz noch Kofferraum, also wie sollen wir ...«
»Die Hunde, meinst du? Ach, die schnallen wir auf dem Dach fest.« Er trat kurz aufs Gas, der Wagen schoß mit einem Ruck vorwärts und fiel dann wieder leicht zurück, als er den Druck verringerte. Er grinste immer noch, und sie wollte gerade ihre Frage wiederholen – »Woher hast du den Wagen?« –, als ihr auffiel, daß im Zündschloß gar
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