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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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und das flache Hügelland des Russian River Valley bis nach Marshall gefahren, wo der Pazifik gegen die Felsen brandete und eine Gischt aufwirbelte, die im Sonnenlicht hing wie der Rauch eines nie erlöschenden Feuers. Die Luft war kalt, das Wasser noch kälter. Er war einfach in seinen abgeschnittenen Jeans ins Wasser gewatet, Marcos Jagdmesser in der einen und zwei leere Jutesäcke in der anderen Hand.
    Über ihm kreisten die Möwen, Kormorane und Pelikane, durchschnitten das wogende Grün hinter den Wellenbrechern. Es herrschte Ebbe, die Felsen waren halb im Sand begrabene Festungen, und auf jedem einzelnen glitzerte schwarz eine Brustwehr aus Miesmuscheln. Pan arbeitete unter der bleichen Sonne, zitterte im Wind, der aus dem Nirgendwo heranblies, und wich dem Sprühregen der Brandung aus, so gut es ging, und im Laufe einer Stunde löste er Hunderte von Muscheln von den Steinen, zweihundert, drei-, vier-, vielleicht sogar fünfhundert, aber wer zählte schon mit? Zurück auf der Ranch, säuberte er sie von Sand und Algenresten, und die übrigen waren so beschäftigt beim Bus, mit dem Einräumen und Packen und dem Beobachten der beiden Bulldozer, daß niemand ihm weiter Beachtung schenkte. Er hatte die beiden großen Säcke im Kofferraum des Studebaker verstaut und ein Pfund gesalzener Butter sowie ein Dutzend Zitronen vom Baum hinter dem Schwimmbecken dazugepackt. Und nun war der Moment gekommen, sie zu kochen. Gerade jetzt, denn wer wollte schon Erdnußbutter mit Marmelade auf zwei Tage altem Brot, wenn man sich an den Köstlichkeiten des Meeres laben konnte?
    Niemand sagte etwas, als er ein großes Feuer auf einer der rußgeschwärzten gußeisernen Grillschalen baute, die hinter jedem Picknicktisch aus dem Dreck wuchsen, nur Merry – die aussah wie zwei Kugeln Eiscreme in einem Macramee-Oberteil – kam zu ihm herüber, als er den Dreißig-Liter-Topf obendrauf stellte. Sie reichte ihm die Kippe eines Joints, den sie eben noch zwischen den Lippen gehabt hatte, und darüber sorgte sich einstweilen keiner: wo das sakramentale Marihuana eigentlich herkommen sollte im nächsten langen harten Winter, ehe sie nämlich die Gelegenheit hatten, eine eigene Plantage anzulegen – niemand sorgte sich wegen irgendwas, denn dies war das Abenteuer: das Hier und Jetzt. Er zog an dem Joint, und sie lächelte. »Was willst du denn kochen?«
    Er zuckte die Achseln: »Ach, nichts. Kleine Überraschung. Etwas, zu dem auch Vegetarier stehen können.«
    Sie stupste einen der Säcke mit dem nackten Zeh an. »Was denn?« Das Lächeln wurde breiter. »Muscheln? Hummer?«
    »Wirst schon sehen. In etwa fünf Minuten. Aber du würdestja nichts essen, was ein Gesicht hat, oder? Du erschlägst nicht mal einen Moskito oder atmest aus Versehen eine Fliege ein, stimmt’s?« Der Joint war ausgegangen. Der Form halber gab er ihn ihr zurück.
    »Weiß nicht. Hängt wohl davon ab.«
    »Wovon?«
    »Davon, wie hungrig ich bin und was in dem Topf drin ist. Aber Fleisch ist es nicht, oder?«
    Die Leute hatten inzwischen rings um den Bus mehrere Zelte aufgeschlagen. Sky Dog, Dale Murray, Lester und Franklin saßen etwas abgesondert auf einem Picknicktisch ein Stück weiter weg, die Beine auf die heruntergeklappten Stühle gestellt, und Sky Dog und Dale zupften auf ihren Gitarren herum. Eine Gruppe von Leuten war auf der anderen Seite des Busses und deshalb nur als Waden und Füße sichtbar, Che und Sunshine tollten mitten im Zentrum einer tobenden Horde von Kindern der Spießertouristen: blasse Gliedmaßen, Gebrüll, ein Fußball, der von einem Ende des Platzes zum anderen getreten wurde.
    »Würde ich dir so was antun?« Pan trat einen Schritt vom Feuer zurück und sah zum Bus hinüber. Die Fenster auf seiner Seite standen alle offen, und ein unsichtbarer Genius hatte soeben die Nadel bei »God Bless the Child« aufgelegt, ein Stück, auf das er total stand, und einen Augenblick lang blickte er einfach nur über den Platz und lauschte den Bläsern, die mit den Sängern im Wettstreit lagen. Dann wandte er sich wieder an Merry. »Wo pennst du heute nacht? Im Bus?«
    »Glaub schon.«
    »Willst du bei mir schlafen? Der Studebaker hat einen breiten Rücksitz. Oder vielleicht leg ich auch einen Schlafsack auf einen Picknicktisch, wenn’s keinen Tau oder Regen oder so gibt ...«
    »Was ist mit Lydia?«
    »Was soll mit ihr sein?«
    Sie nahm achselzuckend auf einer Ecke des Picknicktisches Platz, balancierte auf einer Hinterbacke, den erloschenen Joint noch

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