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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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in den Fingern. »Weiß nicht«, sagte sie. »Wo schläft denn sie?«
    Er antwortete nicht, sondern leerte den ersten Jutesack in den Kochtopf. Es war wie eine Ladung Steine. Es klapperte und zischte, und dann kippte er den Inhalt des zweiten Sacks auch hinein. »Das ist ein Song von Billie Holiday«, sagte er, »wußtest du das?«
    »Nein«, antwortete sie, »wußte ich nicht. Ich dachte, das ist von Blood, Sweat & Tears.«
    »Ursprünglich, meine ich. Das war in den Dreißigern oder so.«
    »Echt? Dann ist es ja echt alt, was?«
    »Ja«, sagte er und schaute zu den Bäumen hinüber, die nicht allzu anders als die Bäume auf Drop City aussahen.
    »Was sind das, Miesmuscheln?«
    »Exakt. Reines Protein, der Schatz des Meeres. Und warte ab, bis du sie mit der Spezial-Butter-Zitronen-Sauce à la Pan kostest. Weißt du, wie lecker gedämpfte Miesmuscheln schmecken, oder in der letzten Minute in einer brodelnden Marinara geschwenkt?«
    Das wußte sie nicht. Und sie war Vegetarierin. Aber er beobachtete sie, während der Dampf aufstieg, die Butter in der Pfanne schmolz und er die Zitronen aufschnitt und ausdrückte. Sie wirkte interessiert, eindeutig interessiert. »Was ist mit Jiminy?« fragte er. »Wo schläft er denn?«
    Als sie die Achseln zuckte, hoben sich ihre Brüste und sanken wieder hinab. »Im Bus wahrscheinlich.«
    Er dachte an Lydia, dachte an Star und Marco und daran, wie Marco im Studebaker die Arme um sie gelegt und sie an sich gedrückt hatte. Er war mit ihr in die Highschool gegangen. Sie waren quer durch die USA getuckert. »Schlaf mit mir«, sagte er. »Wie lange ist das her, muß vor Wochen gewesen sein.«
    In diesem Moment kam Reba aus dem Wald, mit einem Armvoll Feuerholz und hermetisch verschlossener Miene, dicht hinter ihr Alfredo. Er hielt ein Beil in der einen Hand und einen halbverfaulten Kiefernast in der anderen. Rebas Blick erfaßte den Kochtopf. »Was ist das?« fragte sie. »Kochst du was, Ronnie?« Oh, und nun grinste sie aber, allerdings. »Etwa für alle?«
    Sie trug Mokassins, die sie selbst genäht und bestickt hatte, und in ihrem Perlenstirnband steckte eine irisierende schwarzblaue Rabenfeder – sie brauchte nur noch ein paar Streifen Kriegsbemalung, und schon ginge sie als Squaw in einem Film von John Ford durch, und das war witzig, weil Star das auf der Fahrt durch die Staaten andauernd gesagt hatte: der ganze Hippie-Stil sei so ähnlich wie Cowboy-und-Indianer-Spielen, von den Stiefeln und den weiten Hosen, die an lederne Chaps erinnerten, bis hin zu den Umhängen und Stirnbändern und den großen Hüten. Er hatte das damals bestritten, einfach weil es ihm nicht selbst eingefallen war und weil der Gedanke an seiner Selbsteinschätzung nagte, aber es stimmte, und in diesem Moment begriff er das. Reba spielte Cowboy und Indianer und er und alle übrigen auch.
    »Das sind Miesmuscheln«, sagte er. »Genug, um den ganzen Campingplatz zu füttern, uns und die Spießer noch dazu.«
    Alfredo stand in Stiefeln und Jeanshemd neben ihnen und zog ein verwundertes Gesicht, als wäre er in dem bewußten Western soeben von seinen Amigos vor dem Galgen errettet worden. »Miesmuscheln?« echote er. »Wo hast du die denn her?«
    Pan fühlte sich klasse. Er fühlte sich weitherzig und großzügig, brüderlich und schwesterlich. Also gab er eine ausführliche Schilderung seines Kampfes gegen die See am Morgen vor zwei Tagen zum besten.
    Und was war Alfredos Reaktion darauf? Die Reaktion des verklemmtesten und am wenigsten in sich ruhenden Mitglieds in diesem ganzen Wanderzirkus? Wie reagierte er auf Pans selbstlose Geste und seinen großen Stolz dabei? Er sagte: »Du bist ja total bescheuert, Mann. Ist dir nicht klar, daß die in dieser Jahreszeit unter Quarantäne stehen?«
    »Unter Quarantäne? Wovon redest du da?« Falls es Alfredo da um Angelscheine und Schonzeiten und diesen Quatsch ging, dann konnte er ebensogut mit seinem Schuh sprechen. »Okay, Juni ist ein Monat ohne r, aber ...«
    Alfredo legte das Beil beiseite und hob den Deckel des Topfes. Die Muscheln brodelten schwarz im siedenden Wasser. »Meine Güte!« sagte er. »Du hättest uns alle vergiften können.«
    Ronnie spähte ebenfalls in den Topf, dann sah er Merry und Reba an, ehe er sich wieder an Alfredo wandte. »Blödsinn«, sagte er.
    Inzwischen scharten sich ein paar der anderen um sie – Maya, Angela, Jiminy –, und Ronnie blieb keine Wahl, als sich zu behaupten. »Blödsinn«, wiederholte er. »Was soll das mit der

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