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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ihnen. Die Beverly B. dagegen schon.
    Sie war ein schlankes, achteinhalb Meter langes Kajütboot mit Holzrumpf, solide gebaut, mit Teakholzverzierungen und Schotten mit Knebelverschluss, eine echte Schönheit, aber sie hatte während des Krieges, aus dem ihr Besitzer, ein Marinesoldat, nicht zurückgekehrt war, vernachlässigt auf dem Trockenen gelegen. Till entdeckte das Boot am hinteren Ende der Werft, halb von Unkraut überwuchert, machte die still trauernden Eltern des Marinesoldaten ausfindig – ihr Junge war in einem Ölteppich verbrannt, nachdem ein Kamikazepilot während der Schlacht im Golf von Leyte die St. Lo gerammt hatte – und saß, den Hut auf ein Knie gelegt, in ihrem Wohnzimmer, während sie Fotos und Orden betrachteten, die letzten Erinnerungen an ihren toten Sohn. Volle zwei Stunden saß er da, trank lauwarmen Beuteltee, auf dessen Oberfläche sich ein Stück bittere Zitrone langsam um sich selbst drehte, und als er schließlich das Boot erwähnte, starrten sie ihn an, als wäre er gerade aus den Seiten des Familienalbums gekrochen, um in dem abgedunkelten und kaum erleuchteten Wohnzimmer, in dem sie seit undenklichen Zeiten wie Geister lebten, auf den Samtpolstern des Sofas aus Ahornholz Platz zu nehmen. Die Mutter – sie musste in den Fünfzigern sein, stämmig, aber mit den zarten Handgelenken und Knöcheln eines jungen Mädchens und einem von Kummer und Empörung gleichermaßen gezeichneten Gesicht – warf den Kopf in den Nacken und schrie geradezu: »Das alte Ding?« Dann sah sie zu ihrem Mann und senkte die Stimme. »Das wird Roger jetzt auch nicht mehr brauchen, oder?«
    Im Verlauf des Herbstes und Winters widmete Till sich der Aufgabe, das Boot wieder flottzumachen. Er sah sich in der Werft und beim Schiffsausrüster um und schraubte an dem Motor herum, bis er so ölverschmiert war, dass Beverly jedem, der es hören wollte, erzählte, er sehe die meiste Zeit aus, als wollte er als Neger in einer dieser Minstrelshows auftreten. Das fand sie witzig: Till als Neger. Und sie erzählte Mrs. Viola im Lebensmittelladen davon und Warren und seiner Freundin Sandra mit dem Mund wie ein Reißverschluss und dem Pullover, der so eng war, dass man die Nähte, Träger und Körbchen ihres BHs deutlich sehen konnte. Gewissenhaft, das war Till. Gewissenhaft, genau und unfehlbar. Er sprach nie darüber, aber er hatte seinem Land den rechten Arm geopfert und war entschlossen, den linken für sich selbst zu behalten. Und für sie. Vor allem für sie.
    Er musste lernen, mit dem linken Arm die Arbeit des rechten zu tun. Er stempelte die Fahrscheine auf der Linie zum Santa Monica Boulevard, unter den ungeduldigen Blicken der Passagiere, die sich mit einer Art mürrischer Anerkennung mühten, höflich zu sein. Die tote Hand hielt den Fahrschein, und die neuerdings dominante stempelte ihn ab, und er lernte, seinen Gehaltsscheck mit dieser Hand einmal zu falten und ihr zu überreichen, als wäre er ein Fahrschein, eine Eintrittskarte für ein Fest, zu dem sie, nur sie allein eingeladen war. Spät am Abend, nach dem Essen und dem Radio, ließ er die Linke über ihren nackten Körper gleiten, als wäre sie seit langem darin geübt, und das war in Ordnung, und besser würde es nicht werden, denn er war jetzt Linkshänder und würde es bis zu seinem Tod bleiben. Und als sie die Beverly B. zu Wasser gelassen hatten, war er mit dem Boot so sanft und rücksichtsvoll wie mit ihr im Ehebett, und der rechte Arm schwang steif herum, wenn er mit dem linken am Steuer drehte. Die ersten paar Male entfernte er sich nicht außer Sichtweite des Hafens. Till sagte, er wolle ein Gefühl für das Boot bekommen, es zureiten und hören, was der Chrysler-Doppelmotor zu sagen hatte, wenn er den Gashebel ganz nach vorn schob und zusah, wie die Nadel des Drehzahlmessers auf 2800 UpM kletterte.
    Und dann kam jener Freitagnachmittag Ende März, als sie und Till und Warren aus dem Hafen fuhren und Kurs auf die nächstgelegenen der nördlichen Santa-Barbara-Inseln nahmen, auf Anacapa und Santa Cruz, die große Insel jenseits davon, denn dort waren die Fische: jede Menge Lingcod, so lang wie ein Arm, die Abalone konnte man einfach von den Felsen pflücken, und es gab viel mehr davon als Felsen, und die Hummer waren so entgegenkommend, dass sie an der Ankerkette emporkrabbelten und sich in den Kochtopf stürzten. Ein Kollege hatte Till davon erzählt. Nach Catalina konnte jeder fahren – verdammt, es fuhr ja auch jeder dorthin,

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