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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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sie vor sechs Monaten beschlossen haben, wegen der Ereignisse auf den Inseln in Aktion zu treten. Zu seinen Füßen liegen drei sichtlich gut gefüllte schwarze Müllsäcke. »Alles klar, Dave?« fragt er mit einem breiten Grinsen, das sein Gesicht aufleuchten lässt wie den Bildschirm eines LCD-Fernsehers in einem dunklen Schaufenster.
    »Ja. Hast du das Zeug?« Er lacht unwillkürlich. »Scheiße«, sagt er, »das hört sich an, als würden wir einen Drogendeal machen.«
    Wilsons Grinsen wird noch breiter. »Machen wir ja auch.«
    »Irgendwie.«
    »Ja, irgendwie.«
    Das Tor schwingt auf, sie nehmen die Säcke – Wilson zwei, er selbst einen, denn bis jetzt gehören sie Wilson, und er ist derjenige, der darüber zu bestimmen hat – und gehen über den Steg, wo die Boote sich auf den Resten der Wellen wiegen, die der Sturm in den Hafen gedrückt hat. Schwarze, knisternde Säcke, deren Falten und Ausbuchtungen das Licht metallisch reflektieren, nichts Ungewöhnliches, nichts, was irgend jemanden zum Nachdenken bringen würde, nicht mal Mrs. Janov, die ihnen auf dem Weg von ihrem Boot, der Bitsy , entgegenkommt, einem Boot, das er nicht nur wegen seines Namens hasst, sondern auch wegen seiner Besitzer: Es sind Leute, die nie den Hafen verlassen, aber jede Menge Zeit zu haben scheinen, um mit einem Drink in der einen und einem Fernglas in der anderen Hand in einem Liegestuhl zu sitzen und zu beobachten, immer nur zu beobachten. Und was beobachten sie bloß? Normalerweise ignoriert er Mrs. Janov, geht einfach an ihr vorbei, ganz gleich, welchen Schwachsinn über das Wetter, die Möwen, die Möwenscheiße oder was auch immer sie zu ihm sagt, immer die gute Nachbarin, die ihre Nase in alles hineinstecken muss, aber weil alles so glatt läuft und er sich beschwingt fühlt und vielleicht ein kleines bisschen aufgeregt ist, bedenkt er ihr verkniffenes Gesicht mit einem knappen Nicken. Der Steg wippt unter ihnen, und Mrs. Janovs Flipflops klatschen wie zwei Hämmer.
    Sie gehen an Bord, gleiten in die Kajüte wie Robben ins ruhige Meer. Bis auf das leise Wispern des Nieselregens auf dem Dach und der salzfleckigen Windschutzscheibe des Steuerhauses ist es still. Wilson setzt sich schwerfällig hin – nein, er lässt sich mit einem Seufzer auf die Couch fallen – und verkündet: »Zehntausend Tabletten, wie du gesagt hast. Meinst du, das wird reichen?«
    Das Boot riecht, wie Boote eben riechen, wenn sie in Regen und Kälte im Hafen liegen: Die Toilette macht sich bemerkbar, Wachs und Lack und Muschelentferner konkurrieren mit der modrigen Ausdünstung von Pilzen und dem feuchten, gemaserten Geruch des Meers, den die Kälte festhält, komprimiert und gären lässt, bis die Sonne – oder die elektrische Heizung – das alles vertreibt. Er hat die Heizung bereits eingeschaltet, schiebt sich um den Tisch herum auf die Bank und richtet sich in dem beengten Raum ein, der ihm immer das angenehme Gefühl gibt, dass alles, was er je brauchen könnte, in Reichweite ist – Leinen los, raus aufs Meer, vergiss den ganzen Rest. »Willst du Kaffee?« fragt er und setzt Wasser auf. »Ich mach sowieso welchen. Mann, das Zeug, das sie mir im Cactus vorgesetzt haben, hat geschmeckt wie Verdünner.«
    »Mit Milch und Zucker«, sagt Wilson und blättert in einer sechs Monate alten Nummer von National Geographic . Er hat sich hingelegt, seine Augen sind halb geschlossen. Er ist einer von denen, die, wenn sie nicht gerade arbeiten – und im Augenblick arbeitet er definitiv nicht –, überall schlafen können, sei es um halb elf Uhr morgens auf einer leise schaukelnden Yacht im Hafen von Santa Barbara oder um fünf Uhr nachmittags auf der Terrasse von Brophy Brothers vor einem Teller mit fritierten Kalamari.
    »Ich weiß nicht«, sagt Dave und nimmt zwei Becher von den Haken, »das ist alles nur geschätzt. Die sagen, da drüben gibt es dreitausend Ratten –«
    »Mehr nicht?«
    Dave zuckt die Schultern, eine Geste, bei der er die Becher auf Brusthöhe hebt und wieder senkt. »Kommt mir auch wenig vor. Aber Platz und Nahrung sind begrenzt, nicht wie hier, wo es jede Menge Menschen gibt. Und Müll. Aber was ist jetzt mit dem Mittel. Es ist fettlöslich, oder?«
    »Ja, genau. Fettlöslich. Die Vitamine C und B sind wasserlöslich, das heißt, man scheidet sie beim Pissen aus. Und darum kriegt man Skorbut. Seeleute jedenfalls. Damals. Aber dieses Zeug wird im Fett der Leber gespeichert.«
    »Dann wird eine Dosis also reichen? Sie fressen eine

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