Grün war die Hoffnung
da.«
Sie braucht einen Moment, denn sie kommt von sehr weit her, und dann öffnet sie ohne irgendein Zeichen von Überraschung die Augen, als hätte sie die ganze Zeit gewusst, dass er da ist. Ihre Lippen sind warm, weich, ohne Lippenstift. Sie hat ein zu großes T-Shirt an, in einem blassen Blau, das zu ihren Augen passt. Auf der Brust steht in Schreibschrift ihr Name, auf dem Rücken ist eine Liste der Daten und Orte – Lompoc, Santa Maria, Nipomo, Buellton, Santa Ynez – ihrer letzten bescheidenen, selbstfinanzierten Tournee, mit der sie für ihre neueste bescheidene, selbstfinanzierte CD geworben hat. »Ich will meine Mummie«, sagt sie und streckt die Arme nach ihm aus, und das Ganze ist ein Ritual, das auf ihren ersten gemeinsamen Ausflug zurückgeht, einen Ausflug nach Paseo Nuevo, wo sie sich ein Remake des alten Boris-Karloff-Films angesehen haben.
Er drückt sie kurz an sich, eine Morgenumarmung, mehr nicht, und dann löst er sich von ihr und richtet sich auf. Er spürt, wie das Koffein in ihm arbeitet, wie das Boot schaukelt, als wäre es eine Wiege, wie die Seeluft von oben hereindringt. Er erinnert sich an das erstemal, als er sie gesehen hat, an einem Sonntagabend im Februar oder vielleicht im März. Sie spielte in der Cold Spring Tavern auf dem San-Marcos-Pass, wo sie vor einer Hardcore-Bluesband auftrat. Mit gesenktem Kopf, die Gitarre unter den Arm geklemmt, stieg sie auf die winzige Bühne. Er stand mit einem Freund an der Bar – vielleicht war es Wilson, vielleicht auch nicht. Folkmusik war nie so recht sein Ding gewesen, aber Anise war einfach umwerfend, eine hochgewachsene Schönheit mit breitem Gesicht und einer Haut, die nie von der Sonne beschienen worden war, mit Haar, so blond wie kristallisierter Honig, das ihr bis zu den Knien reichte, sowie – und das war es, was ihn wirklich überwältigte, als wäre der Rest noch nicht genug – nackten Füßen. Diese perfekten, schlanken, ungeschmückten Füße faszinierten ihn, die gelenkigen Zehen, der hohe Rist, die Art, wie der Rhythmus in ihnen zu leben schien. Ihre Zehen krallten sich die Bühne und ließen sie wieder los, ihre Augenlider schlossen sich flatternd, und sie legte den Kopf in den Nacken, bis ihre Zunge die Worte fanden, die auf dem Rhythmus dahinglitten. Sie war wie eine Hippieprinzessin aus einer anderen Zeit, altmodisch, total altmodisch und ganz und gar falsch, und trotzdem stand sie da: breitschultrig, strahlend und zuversichtlich. Er begann zuzuhören und blendete Wilson oder wer immer es war aus, er hörte, was sie sang: eine Handvoll Coverversionen und eine Reihe von Eigenkompositionen, die nichts mit Herzschmerz und vergangener Liebe am Hut hatten, sondern einen Standpunkt vertraten, die beschrieben, wie diese Hurensöhne die Welt asphaltierten, wie sie Tiere in Fabriken züchteten und ihre Gifte in alles taten, was man aß und trank, bis man ihnen nicht mehr entkommen konnte. Die Songs waren ziemlich gut, fand er, und als sie die Bühne verließ und nach hinten verschwand, bestellte er sich einen Cocktail und dann noch einen, und vielleicht hätte er sie, umfangen von Absolut on the rocks, im Hin und Her der Unterhaltung vergessen, aber dann kamen die Mitglieder der Bluesband auf die Bühne, und nach der Hälfte des ersten Sets erschien sie plötzlich unter ihnen wie eine Wiedergängerin und sang »Stormy Monday«, bis er hoch oben im Hals einen Schmerz spürte.
»Später«, sagt er jetzt, kälter als eine Mumie, und gibt seiner Stimme dann einen sanfteren Ton. »Wenn wir zurück sind. Dann gehen wir zusammen essen. Dann feiern wir. Aber erst haben wir noch was zu erledigen.«
Sie streckt sich, ihre nackten Beine schlüpfen aus dem Schlafsack, und der warme, fleischige Geruch steigt zu ihm auf. »Sind wir gleich da?«
Er nickt und ist schon wieder in Bewegung. »Ja«, sagt er. »In der Kombüse ist Kaffee, frisch und heiß. Ich wecke jetzt Wilson, okay?«
Das Frühstück besteht aus Bagels, Joghurt und einem Obstsalat, den Anise am Vorabend gemacht hat. Sie essen im Steuerhaus, wo sie, die nackten Beine untergeschlagen, neben ihm auf der Bank sitzt und Joghurt löffelt, während er den Gashebel nach vorn schiebt und das Boot über die Wellen hüpft. Wilson ist unten, macht irgendwelche Geräusche und singt mit klarer, tonloser Stimme Fetzen irgendeines unidentifizierbaren Liedes. Die Sonne schwebt über dem Meer und verblasst. Vögel drehen ab und bleiben hinter ihnen zurück. Vollgas, harte kurze Wellen hier,
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