Grün war die Hoffnung
Shorts, Arbeitsstiefel und ein schmutziges weißes T-Shirt trägt, so groß wie das Segel eines Hobie Cat. Seine Beine sind wie Betonpfeiler, und sein Bauch wölbt sich unter dem T-Shirt wie ein Wesen mit einem eigenen Leben, das im Begriff ist, sich abzuspalten. Er stellt sich vor ein Restaurant seiner Wahl und bettelt den dicken, gesättigten, leicht benebelten Touristen die Tüten mit den mitgenommenen Resten der Mahlzeit ab. Und wenn ihm nach italienischer Küche ist, nimmt er kein Sushi. O nein. Er nicht. Er weiß, was er will. Er hat Geschmack. Er ist ein Gourmet.
Inzwischen hat dieser Penner, der Philosoph, gemerkt, dass er nicht mehr allein ist. Es ist, als wäre er aus einem Traum erwacht, seine Augen bekommen etwas Suchendes, wie Finger, die im Dunkeln nach einem Halt tasten, und als Dave um den Wagen herum zur Fahrerseite geht, sagt er mit einer Stimme voller Schleim und Teer: »Ham Sie ma ’n Dollar?«
Der Schlüssel ist im Schloss, der Regen fällt auf die Dreads, der Kragen ist aufgestellt, und er verspürt keine Wut, denn er hat etwas zu erledigen, er hat einen Termin, und kein Penner, der ja nicht mal die Zeit wert ist, die man braucht, um ihn anzusehen, die stumpfen Augen, die verdrehten Handgelenke, das irgendwo abgestaubte, schwarz-rot karierte, regennasse Flanellhemd, das wie eine abgestreifte Haut an ihm hängt, wird je auch nur fünf Cent von ihm kriegen, geschweige denn ihn so auf die Palme bringen – Ham Sie ma ’n Dollar? –, dass er ihm sagen würde, wie er das moralische Gewicht dieser kleinen Begegnung beurteilt. Er hebt also lediglich die rechte Hand, als wäre sie ein Stoppschild, und lässt sich auf den Fahrersitz gleiten, und schon wird seine Szenerie beherrscht von Leder, dem sanften Schein der Armaturenbeleuchtung und der herrlichen deutschen Präzisionsmusik des Motors, die den Penner, die nassen Zeitungen, die toten Würmer und den ganzen Rest zu nichts zerstieben lässt.
Auf der State Street staut sich der Verkehr, aber er reiht sich trotzdem ein, denn er hat keine Eile und will einen Blick auf die Geschäfte und ihre Weihnachtsdekorationen werfen, einfach um, wie er sich sagt, in Weihnachtsstimmung zu kommen und nicht um mit geschultem Auge die Horden von Kunden zu betrachten und ihre Kaufabsichten einzuschätzen. In seinen eigenen Geschäften – Spezialgeschäften für Leute mit Geld, die den 52-Zoll-LCD-Bildschirm von Sony und die aus England importierte High-End-Anlage von Linn mit fünf Mini-Lautsprechern und den großen Subwoofern fix und fertig in ihrem Medienraum montiert haben wollen, damit sie nur noch den Knopf auf der Fernbedienung drücken müssen, um ein wirklich überwältigendes Audiovisionserlebnis zu haben – ist es nie voll, ganz gleich zu welcher Jahreszeit. Das war schon immer so, auch als er das Angebot für die Audiophilen der achtziger Jahre um die Großbildschirme und Surround-Sound-Anlagen der neunziger und nuller Jahre erweitert hat. Nein, sein Geschäft sind High-End-Geräte, und er erfüllt eher Bedürfnisse als Wünsche, denn man zieht sich immer mehr aus dem öffentlichen Raum zurück: Die Leute investieren in Home Entertainment, weil sie keine Lust mehr haben, auch nur in den Garten zu gehen, geschweige denn in ein Kino oder dergleichen. Um Kundschaft muss er sich nicht sorgen – die Leute kommen zu ihm –, und er hat sich stets den Luxus leisten können, keine Reklame zu machen und seine Geschäfte in bescheideneren Seitenstraßen zu eröffnen, wo die Mieten niedriger sind und man nicht um Aufmerksamkeit konkurrieren muss.
Dennoch – er kommt gerade an Macy’s vorbei, wo Frauen mit beiden Armen voller Einkaufstaschen ein und aus gehen und mit einer am Muskelspiel ihrer Waden und der Zielstrebigkeit ihrer Schritte erkennbaren tiefen Zufriedenheit über den Bürgersteig schreiten –, dennoch muss er zugeben, dass diese großen, festlich dekorierten Schaufenster etwas haben: all diese Farben, dieser Flitterkram, die glatte, geleckte Perfektion dieser Arrangements, die den Kunden den Wunsch eingibt, selbst ebenso perfekt zu sein, und zwar auf die einfachste Weise, nämlich dadurch, dass sie Geld ausgeben. Mach mich besser. Mach mich gesund. Mach meine Augen größer und meinen Bauch kleiner, mach meine Beine fester und mein Haar voller. Mach mich schön und erfolgreich, und vor allem mach, dass ich gemocht, bewundert und geliebt werde. Sehr wohl – und wo wir gerade dabei sind: Wie wär’s mit einem Home Entertainment Center?
Es ist
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