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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Tablette und sind geschützt?«
    »Mann, das weiß ich nicht. Ich weiß bloß, was ich im Internet gelesen hab. Vitamin K2, hundert Mikrogramm pro Tablette, total natürlich. Da stand, es handelt sich um ›eine biologisch aktive Form, die aus einem fermentierten japanischen Sojaprodukt namens Natto gewonnen wird‹. Hast du je davon gehört?«
    »Nein, kann ich nicht behaupten.« Er stellt die Becher auf die Theke und bemerkt, dass auf der Innenseite des einen, ein paar Zentimeter unterhalb des Randes, ein brauner Ring ist. Den er nicht weiter beachtet. »Klingt aber gut. Ich meine, wie kompliziert soll das sein? Es ist ja bloß ein Vitamin.« Er kann bereits spüren, wie es warm wird. Das Wasser im Kessel wird gleich kochen. Draußen ist der Regen heftiger geworden und prasselt auf das Deck, und plötzlich ist er dreißig Jahre zurückversetzt in die Kajüte des Bootes seines Vaters, das an einem Tag wie diesem vor der Insel Santa Cruz vor Anker lag: Seine Mutter stand am Herd und machte getoastete Käsesandwiches – Schweizer Käse auf Grahambrot mit Sauerkraut und Senf, ihre Spezialität –, so dass die Luft erfüllt war von dem schweren, süßen Geruch, und er saß mit einem Becher heißer Schokolade und einem Stoß Comics da, gemütlich, so gemütlich und sicher und geborgen. Wie jetzt. Wie hier und jetzt. »Was hast du übrigens bezahlen müssen?«
    Wilson lässt die Zeitschrift fallen, verschränkt die Hände hinter dem Kopf und reckt sich, er spannt die Beine an, seine Schultermuskeln zeichnen sich ab. »Der erste Anbieter wollte dreizehn Dollar für hundert, aber dann hab ich einen gefunden, der bei großen Mengen drei Dollar Rabatt gibt. Also genau tausend.«
    »Hast du mit deiner Visa-Card bezahlt?«
    »Nein. Ich hab die einer Freundin genommen. Und die Lieferung an ihre Adresse schicken lassen, in Goleta.«
    Das klingt gut. Nicht dass irgend jemand die Spur zurückverfolgen würde. Und selbst wenn ihnen diese Sache um die Ohren fliegt, werden sie damit in die Zeitungen kommen – und obendrein die Ratten vielleicht trotzdem retten, denn darum geht’s ja, und ganz gleich, wie locker er ist, das darf er nie vergessen: Die Tiere müssen gerettet werden. Er gießt kochendes Wasser in den braunen Papierfilter und fischt die halbfette Kaffeemilch aus dem Kühlschrank. Den Kessel stellt er wieder auf den Herd, und dann reicht er Wilson einen Becher und setzt sich auf den Sessel ihm gegenüber, während das Boot schwankt und tickt und sich unter ihnen zurechtrückt. In diesem Augenblick ist er so ruhig, wie er es seit dem Vortrag nicht mehr gewesen ist – Almas Vortrag, und er hat sie nicht vergessen, er hat nichts von dem vergessen, was früher zwischen ihnen gewesen ist, auch wenn sie so tut, als ob sie nichts mehr wüsste, Dr. Alma mit ihren Ticks und ihren Allüren –, und ihm wird bewusst, wie gut es ihm tut, einfach nur auf dem Boot zu sein. Dies ist eine andere Welt, weit entfernt von all dem Streit und den Kämpfen, all den Leuten, die einem auf den Leib rücken, wenn man ihnen Gelegenheit dazu gibt. »Ich geb dir einen Scheck«, sagt er.
    »Von mir aus.« Wilson zuckt die Schultern und unterdrückt ein Gähnen.
    Und dann lehnt er sich zurück, trinkt Kaffee, richtigen Kaffee, und denkt an den Tag vor zehn Monaten, an dem er das Boot gekauft hat. Es ist ein Klischee, aber es stimmt: Es war ein Glückstag, damals wie heute. Ein gutes, ein exzellentes Geschäft, denn die Leute wollten es unbedingt loswerden – der Mann war irgendein hohes Tier bei PacifiCare, blutleer wie ein Leichnam, und er war genau dreimal mit dem Boot rausgefahren und hatte es jedesmal beinahe auf Grund gesetzt, so lautete jedenfalls die Geschichte, und seine Frau (die früher vielleicht nach was ausgesehen hatte, jetzt aber nicht mehr) spitzte die faltigen Lippen, als von diesen Ausflügen die Rede war. Dumme Menschen. Idioten. Sie hatten das Boot Easy Life genannt – soviel zum Thema Klischees. Als er hier, in dieser Kajüte, saß und der Frau zuhörte, die in einem Ton, der ironisch sein sollte, über die nautischen Fähigkeiten ihres Mannes oder vielmehr das Fehlen derselben sprach, wusste er schon, wie er das Boot nennen würde, sobald der Scheck ausgestellt und die Papiere übergeben waren, und schon damals dachte er an heute, natürlich dachte er an heute, denn wie sollte er seine Absichten kundtun, wie sollte er eine Lanze für die Tiere brechen, wenn die Tiere da draußen waren, jenseits des Santa-Barbara-Kanals, wo

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