Grün war die Hoffnung
verschwunden sind, weil ihre treibende Kraft verschwunden ist. Weil Dave LaJoy hinter Gittern oder gegen Kaution auf freiem Fuß ist und in irgendeiner Gasse herumschleicht und sich die Kapuze seines Hoodies über den Kopf zieht wie ein Mafioso oder ein bloßgestellter Senator. Er hat den entscheidenden Fehler begangen. Er ist fertig. Erledigt. Und die Schweinejagd geht unerwartet gut voran. Wenn LaJoy irgendwann wiederauftaucht, ist das Projekt abgeschlossen, und dann gibt es nichts mehr, wogegen er protestieren könnte. Das wird ein Festtag sein!
Der Gedanke erfüllt sie mit einem inneren Licht. Alles ringsum leuchtet, als wäre es aus Schlacke neu erstanden, schimmernd und glänzend. In dieser Stimmung geht sie zum Docksider und ertappt sich dabei, dass sie Leuten zunickt, die ihr entfernt bekannt vorkommen, und stehenbleibt, um einer jungen Mutter und ihrem kleinen Kind zuzulächeln, die sich eine rosarote Wolke aus Zuckerwatte teilen. Aber dann, als sie die Treppe hinaufgeht, kommt wieder die Schwere über sie, spürt sie wieder die Last in ihr, so unverrückbar wie eine Ziegelmauer: Wie gern würde sie es Tim erzählen, ihre Freude und den süßen Geschmack des Triumphs und der Rehabilitierung mit ihm teilen. Aber es gibt keinen Tim, alle anderen haben ihre Mittagspause längst beendet, und das Café ist leer und wirkt leicht deprimierend. Sie ist allein und will etwas essen, und als die Kellnerin sie an einen winzigen Tisch in der Mitte des Raums setzen will, besteht sie auf eine Nische am Fenster, die sonst für Gruppen von vier oder fünf Personen reserviert ist, und warum auch nicht? Sie ist es leid, sich herumschubsen zu lassen. Sie ist alles leid. Sie ist müde.
Sie starrt auf die Speisekarte und versucht sich zu entscheiden, ob sie zu ihren Krabben eine kleine oder große Schale Clamchowder bestellen soll, und darum dauert es einen Augenblick, bis sie bemerkt, dass die Koreanerin aus dem Lädchen im Erdgeschoss neben ihrem Tisch steht. Mrs. Kim. Sie hält eine Zeitung in der Hand, den Press Citizen , und sie hält sie so, als wollte sie sie ihr anbieten. »Sie haben schon gesehen?« fragt sie.
Alma hat die Zeitung noch nicht gelesen. Am Morgen war sie dazu nicht imstande, zu angespannt, weil sie vor Gericht erscheinen musste und nicht wusste, ob sie die Bluse über der Hose tragen könnte, um die Tatsache zu verbergen, dass sie die Jacke nicht mehr schließen konnte, und so hat sie es ganz vergessen. Ohnehin überfährt sie die Zeitung meist, und dann fällt sie ihr erst wieder ein, wenn sie abends in die Einfahrt biegt und sie schmutzig und zerrissen dort liegen sieht. Was eigentlich nicht weiter schlimm ist, denn es ist ein Käseblatt, laut, besserwisserisch und bestenfalls halbkompetent, das praktisch nichts von dem vertritt, woran sie glaubt. Tim hat es immer den Press Critizen genannt.
»Nein«, sagt Alma. »Warum?«
Mrs. Kim, eine große, kerzengerade Frau in den Siebzigern, die Alma einmal nach beiläufiger Begrüßung mit der Bemerkung »Sie Nihon-jin , ja?« überrascht hat, legt die Zeitung auf den Tisch und schiebt sie ihr mit einem verschwörerischen Lächeln zu. »Sie werden mögen, was da steht. Umsonst. Für Sie.«
Noch bevor sie den Dank ausgesprochen hat, sieht sie die Schlagzeile: Tod auf Santa Cruz . Und darunter: Fragwürdiges Vorgehen der FPA führt zum Tod von Studentin , von Toni Walsh.
Mrs. Kim tritt langsam einen Schritt zurück und macht eine kleine Verbeugung, die Alma erwidert, so gut es im Sitzen geht. »Keine Demonstranten mehr, ja?« sagt die alte Frau zwinkernd. »Schlecht für Geschäft. Für Ihr Geschäft und mein Geschäft.«
Alma sieht sie mit klopfendem Herzen an und lächelt. »Das kann man wohl sagen.«
Der Artikel ist nicht so, wie sie ihn sich gewünscht hätte, aber immerhin ist die maßgebliche Zeitung von Santa Barbara zum erstenmal, seit das alles angefangen hat, offenbar bemüht, zu Dave LaJoy und seiner Bande von Verrückten auf Distanz zu gehen. Zwar betrachtet man ihn noch immer als Streiter für ein hehres Ziel und den Park Service und Nature Conservancy als Feinde, aber Toni Walsh – die gestern schlamm- und blutverschmiert und höchst erbittert war – bezieht deutlich Stellung und klingt dabei nicht so sehr wie eine Reporterin als vielmehr wie eine Kommentatorin:
Der örtliche Geschäftsmann und Aktivist David Francis LaJoy (47) aus Montecito, Gründer und Vorsitzender der Tierschutzorganisation For the Protection of Animals , wurde nach
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