Grün wie die Hoffnung: Roman (German Edition)
Ihre Augen waren so grün wie die der Göttin, aber ihre Berührung war menschlich. »Wer bist du? Wie bist du in den Kreis gekommen?«
»Holunderblüte, Schafgarbe. Keinen Cayennepfeffer? Na, dann muss ich mich eben behelfen.«
Er beobachtete sie, wie sie sich nach Art der Frauen zu schaffen machte, Wasser vom Brunnen holte und es über dem Feuer erhitzte. »Wölfe«, murmelte sie und erschauerte. Er spürte ihre Angst. »Manchmal träume ich von den schwarzen Wölfen oder Raben. Manchmal ist es die Frau. Sie ist die Schlimmste. Aber heute habe ich zum ersten Mal von dir geträumt.« Sie schwieg und betrachtete ihn aus ihren tiefgrünen Augen. »Und doch kenne ich dein Gesicht.«
»Das ist mein Traum.«
Sie lachte leise und streute Kräuter in das heiße Wasser. »Ganz wie du willst. Dann lass uns mal sehen, ob du das Ende noch erlebst.«
Sie fuhr mit der Hand über den Becher. »Kräuter und Wasser, heilende Macht, heut Nacht von Hekates Tochter gebracht. Kühle das Fieber, nimm ihm den Schmerz, und schenke ihm ein starkes Herz. Zauber sei in diesem Trank, und er ist jetzt nicht mehr krank. So sei es.«
»Die Götter mögen mich beschützen.« Mühsam stützte er sich auf einen Ellbogen. »Du bist eine Hexe.«
Lächelnd trat sie zu ihm hin und reichte ihm den Becher. Dann setzte sie sich neben ihn und legte ihm stützend den Arm um die Schultern. »Natürlich. Du doch auch.«
»Nein, das bin ich nicht.« Zu Empörung reichte seine Energie gerade noch. »Ich bin ein Zauberer. Nimm dieses Gift da weg. Es riecht ja sogar schon übel.«
»Das mag sein, aber es wird deine Beschwerden heilen.« Sie setzte ihm den Becher an die Lippen, und als er den Kopf wegdrehen wollte, hielt sie ihn einfach fest und zwang ihm das Gebräu hinein. »Männer benehmen sich wie die Säuglinge, wenn sie krank sind. Und sieh dir deine Hand an! Voller Blut und Schmutz. Warte, ich bringe es schnell in Ordnung.«
»Geh weg«, sagte er mit schwacher Stimme, obwohl er ihren Geruch verführerisch und tröstlich zugleich fand. »Lass mich in Frieden sterben.«
»Du wirst nicht sterben.«
Sie warf den Wölfen einen misstrauischen Blick zu. »Wie stark ist dein Kreis?«
»Stark genug.«
»Hoffentlich hast du Recht.«
Die Erschöpfung und der Baldrian, den sie in den Tee gegeben hatte, ließen seinen Kopf erneut nach vorne sinken. Sie rutschte zur Seite, sodass er auf ihrem Schoß lag. Sanft strich sie ihm über die Haare. »Du bist nicht mehr allein«, sagte sie leise. »Und ich vermutlich auch nicht.«
»Die Sonne … Wie lange bis zum Morgengrauen?«
»Ich wünschte, ich wüsste es. Du solltest jetzt schlafen.«
»Wer bist du?«
Aber falls sie ihm antwortete, so hörte er sie schon nicht mehr.
Als er erwachte, war sie verschwunden, genauso wie sein Fieber. Die ersten Sonnenstrahlen drangen durch das Laub der Bäume.
Von den Wölfen war nur noch einer da, und er lag blut überströmt außerhalb des Kreises. Hoyt sah, dass seine Kehle und sein Bauch aufgerissen waren. Gerade wollte er näher treten, da strahlte die Sonne hell durch die Blätter auf den Kadaver.
Er ging in Flammen auf, und nur ein schwarzes Häufchen Asche blieb übrig.
»Zur Hölle mit dir und deinesgleichen.«
Hoyt wandte sich ab. Er fütterte sein Pferd und braute sich noch einen Tee. Erst als er beinahe fertig war, stellte er plötzlich fest, dass seine Handfläche verheilt war. Nur noch eine winzige Narbe konnte man sehen. Prüfend krümmte er die Finger und hielt die Hand gegen das Licht.
Neugierig hob er seinen Umhang an. An der Seite hatte er immer noch Blutergüsse, aber sie verblassten schon. Und als er auf seine Rippen drückte, verspürte er keine Schmerzen mehr.
Wenn das heute Nacht gar kein Fiebertraum, sondern eine Vision gewesen war, dann sollte er wohl dankbar sein.
Aber eine derart lebhafte Vision hatte er noch nie gehabt. Und sie hatte so viel von sich zurückgelassen. Er hätte schwören können, dass er sie immer noch riechen und ihre melodische Stimme hören konnte. Sie hatte gesagt, sie habe sein Gesicht gekannt. Seltsam, dass er tief im Innern das Gefühl hatte, ihres ebenfalls zu kennen.
Er wusch sich, aber seinen wiedergewonnenen Appetit konnte er nur mit Beeren und einem trockenen Brotkanten stillen.
Er schloss den Kreis, gab Salz auf die geschwärzte Erde davor, dann schwang er sich in den Sattel und galoppierte davon.
Mit etwas Glück konnte er gegen Mittag zu Hause sein.
Der Rest des Ritts verlief ereignislos, es gab keine
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