Grün wie ein Augustapfel
machten bis auf Klaus Adami keine allzu vorteilhaften Figuren. Besonders Gerd Schickedanz bewegte sich wie ein Tanzbär und schien mehr auf den Füßen seiner Partnerin zu stehen als auf seinen eigenen sechsundvierziger Sohlen. Um so erfreulicher war der Anblick der Mädchen. Und fraglos war Manuela Mellin unter ihnen die auffälligste Erscheinung. Ihr knabenhaft kurzgeschnittenes Haar, schwarz und seidig, brachte die schöne Kopfform zur Geltung. Die Augen, so dunkelblau, daß sie fast veilchenfarben wirkten, standen in einem höchst anziehenden Gegensatz zu ihrem brünetten Teint. Ihre Figur, noch mädchenhaft, war gerade deshalb um so reizvoller. Vor allem aber beeindruckte Guntram der strahlende Glanz ihres Wesens, ihre unbekümmerte Art, sich zu geben, und die hinreißende, tierhafte Anmut ihrer Bewegungen. Sie tanzte völlig gelockert, von der heißen Musik durchtränkt und den Synkopen hingegeben, als wäre der Tanz ihr Lebenselement. Wirklich, dieses Mädchen Manuela war bezaubernd — sicherlich noch ungeweckt, aber sechzig Kilo latenten Sprengstoffes in einer höchst reizvollen Verpackung. Er kippte noch einen Cognac hinunter, fühlte die angenehme Wärme in den Magen rinnen, und drehte sich mit einem kleinen Seufzer von dem hübschen Bild ab. Der Raum war ein wenig zu sparsam beleuchtet, die Ecken lagen in einem allzu verführerischen Halbdunkel, und er knipste, bevor er sich zu seinen Briefen zurückzog, mit einem erheiterten Grinsen über sein Verantwortungsbewußtsein wenigstens eine der beiden Stehleuchten an.
»Gib ein wenig acht, daß sie sich nicht in den Ecken knutschen«, hatte ihm seine Schwester Ella, Jürgens Mutter, ans Herz gelegt.
»Tut man das immer noch? Ich dachte, dieses junge Volk redet heute über nichts anderes als über Kernspaltung und Zwölftonmusik und bleibt todernst, wenn das Wort Jungfernzeugung fällt.«
»Sie sind mir in ihrer Nüchternheit ein wenig unheimlich, ganz anders, als wir mal waren. Aber ich beuge doch lieber vor.«
Er beugte im Sinne seiner Schwester vor und hatte damit seine Pflicht erfüllt.
3
Gregor Mellin bummelte mit seinen Freunden Werner Cornelius und Walter Scholz durch die Stadt. Sie gehörten zur alten Garde ihrer Klasse und waren seit acht Jahren nebeneinander über die alljährliche Versetzungshürde gesprungen. Walter Scholz, von seinem ehrgeizigen Vater gezwiebelt, hatte das nächste Ziel oft genug als Primus erreicht und die beiden anderen weit hinter sich gelassen. Aber plötzlich, sozusagen von einem Tag auf den anderen, war es zum Umschwung gekommen. Er begann zu versagen, und jetzt, kurz vor dem Abitur, standen seine Aktien oberfaul. Latein und Griechisch machten ihm keine besonderen Schwierigkeiten, aber ausgerechnet im letzten Jahr, wo alles darauf angekommen wäre, sein Ausgleichsfach Deutsch gegen die verdammte Mathematik auf Hochglanz zu bringen, hatte er drei Aufsätze hintereinander völlig verbaut, und sich beim letzten noch aus einer Art Weltuntergangsstimmung heraus eine beachtliche Frechheit geleistet. Das Thema hieß: >In den Ozean schifft mit tausend Masten der Jüngling, still auf gerettetem Boot treibt in den Hafen der Greis. Den ersten Teil hatte er mit Schwung hingelegt, den zweiten aber mit der Bemerkung erledigt, da er kein Greis sei und nicht die geringste Absicht habe, je zu verkalken, könne er aus Mangel an Erfahrung über greisenhafte Lebensumstände auch keine Aussagen machen. Oberstudiendirektor Dr. Gmeindl, der in der Oberprima neben Deutsch auch noch Geschichte gab, hatte ihm das Heft unzensiert vor die Füße gefeuert und ihn seitdem behandelt, als ob er Luft sei.
Von dem Film aufgekratzt, knallte Walter die rechte Faust in die flache linke Hand, daß es wie ein krachender Knockout auf die Kinnspitze klang: »So ein Kerl wie Eddie Constantine müßte man sein, jedem Burschen, dessen Nase einem nicht paßt, mit dem Knie in den Bauch und einen rechten Haken hinterdrein!« Wessen Kinn er vor sich sah, war weder Gregor noch Werner unklar.
»Und eines sag ich euch, wenn ich durchrassle...«
»Klar, Mann, dann knallst du die ganze Penne zusammen, vom Hausmeister bis zum Chef«, sagte Gregor beifällig. »Aber wie wäre es, Dicker, wenn wir jetzt noch eine Stunde Differentialrechnung machten. Da bist du nämlich am schwächsten auf der Brust, mein Sohn.«
»Das hat doch alles keinen Zweck, Gregi. Du weißt es ganz genau, wo Mathe steht, ist in meinem Schädel einfach 'ne blinde Stelle.«
»Nun mach bloß nicht
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