Gründergeschichten
darüber, wie
Marktkenntnis und ein glaubwürdiges Produkt einem jungen Unternehmen
Chancen eröffnen.
A ls LichtBlick noch eine ziemlich junge Firma war, wurde Heiko von Tschischwitz zu einer Diskussionsrunde eingeladen, es ging
um den Energiemarkt. Neben ihm auf dem Podium saß ein Vorstand einer der großen Energiekonzerne, ein gesetzter Herr alter
Schule, der weder den jungen Kollegen noch seine Firma kannte. Von Tschischwitz stellte sich vor und erläuterte die Geschäftsidee
von LichtBlick. Da lächelte der mächtige Manager milde und sagte nur ein einziges Wort: »Putzig.«
Strom ausschließlich aus regenerativen Energiequellen wie Wind, Wasserkraft, Sonne und Biomasse anzubieten, und das auch noch
bundesweit und zu einem einheitlichen Preis – dieses Konzept sorgte in der von Kohlekraftwerken und Atommeilern geprägten
Energiebranche mit ihren über Jahrzehnte |40| abgezirkelten Gebietsmonoplen damals allenfalls für väterliche Heiterkeit. Heute ist LichtBlick der größte unabhängige Ökostromanbieter
der Republik und zählt zu den Top 25 der 800 deutschen Energieversorger. Im Sommer 2007 hat LichtBlick 300 000 Privatkunden,
und im Foyer der durchaus nicht niedlichen Firmenzentrale in Hamburg-Altona hängt ein Monitor, der alle zehn Sekunden den
aktualisierten Stand meldet: Täglich kommen um die 1000 neue Kunden hinzu. Die LichtBlick-Geschäftsführer Heiko von Tschischwitz
und Wilfried Gillrath haben sich sportliche Ziele gesetzt: In ein paar Jahren wollen sie zwei Millionen Kunden haben. Das
Unternehmen hat in Vergleichstests der Stiftung Warentest mehrfach Bestnoten abgeräumt und setzt 200 Millionen Euro im Jahr
um. Mit dem Naturholz-Charme der frühen Bio-Jahre hat dieses Geschäft nichts zu tun. In der Sitzecke auf der Chefetage liegen
(neben der
taz
) Wirtschaftsmagazine, das
Handelsblatt
und die
Financial Times
Deutschland. Von Tschischwitz, der 2006 von
Capital
und der Umweltstiftung WWF zum »Ökomanager des Jahres« gekürt wurde, trägt stets Anzug und Krawatte und das Haar akkurat frisiert:
So einer lässt sich eigentlich nicht gern »putzig« nennen. Doch er erzählt die Anekdote aus LichtBlicks Anfangszeiten durchaus
mit Vergnügen. Die Ignoranz der Etablierten hat ihn offenbar erst recht angestachelt. Und er weiß: Es kann ein erheblicher
Vorteil sein, wenn einen die Konkurrenz sträflich unterschätzt. Zumal, wenn man nur auf ihre Kosten wachsen kann.
Die Geschichte von LichtBlick und Heiko von Tschischwitz unterscheidet sich von vielen anderen typischen Gründergeschichten.
Hier hat nicht ein Tüftler in der sprichwörtlichen Garage ein originelles Produkt ersonnen, sich eine bisher unentdeckte |41| Nische des Marktes gesucht und darauf gesetzt, ein bisschen wachsen zu können, ohne dass es jemand anderem wehtut. LichtBlick
war eine der ersten Firmen, die überhaupt versucht haben, den Milliardenmarkt für Elektrizität zu knacken – damals, Ende der
neunziger Jahre, als das 60 Jahre alte Energiewirtschaftsgesetz fiel und endlich Wettbewerb auch für das Jedermannsprodukt
Strom zugelassen wurde. 2003 wird das Unternehmen für den Gründerpreis nominiert: für die besonderen Leistungen beim »Aufbrechen
starrer Märkte«. Die ihres Monopols beraubten Unternehmen wehrten sich damals zuweilen mit zweifelhaften Mitteln gegen die
lästige neue Konkurrenz, und sie wehren sich bis heute. Kartellwächter und Ordnungspolitiker beobachten die Energiewirtschaft
mit argwöhnischer Wachsamkeit, denn einen wirklich funktionierenden Markt gibt es längst noch nicht. Viele junge Firmen, die
damals ihr Glück versuchten, sind schnell wieder verschwunden. LichtBlick aber blieb.
Das dürfte nicht zuletzt an besonderen Voraussetzungen liegen, die den Firmengründer von vielen anderen typischen Newcomern
unterscheidet. Heiko von Tschischwitz sagt heute: »Ich hatte zwei entscheidende Vorteile: Ich kannte mich in dieser Branche
aus – und ich hatte einen Geldgeber, der mir und unserer gemeinsamen Idee vertraute.« Beides hat sich im Wortsinn bezahlt
gemacht.
Denn der Energiemarkt ist eine Branche, die es neuen Anbietern grundsätzlich schwer macht, und das aus vielen Gründen. »Strom
ist ja eigentlich ein gähnend langweiliges Produkt«, sagt von Tschischwitz. Jeder nutzt es, es hat immer 220 bis 230 Volt,
weder Image noch Sex-Appeal, man kann (und sollte) es nicht anfassen, kann es nicht vors Haus stellen |42| oder sonst wie damit protzen.
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