Gründergeschichten
Zugleich ist Strom ein sehr erklärungsbedürftiges Produkt, hat von Tschischwitz gelernt, erst
recht wenn es Ökostrom ist. Bis heute plagen potenzielle Kunden Ängste (die von den konventionellen Anbietern gern geschürt
werden), ob zu Hause wohl das Licht flackert, wenn etwa der Wind ungleichmäßig weht. Andererseits gibt es auch erstaunliche
Zutrauen an den grünen Saft: Bei von Tschischwitz bedankte sich überschwänglich ein Kunde, der fest davon überzeugt war, dass
sein Fernsehbild schärfer sei, seit er den Ökostrom von LichtBlick bezog. Heiko von Tschischwitz bemüht angesichts solcher
vagen Vorstellungen vom Wesen der Elektrizität zur Erläuterung gern das Bild vom »Stromsee«: »Man muss sich das so vorstellen,
dass jeder seinen Strom aus einem See bezieht. Entnimmt ein Kunde eines konventionellen Anbieters einen Eimer Strom aus diesem
See, wird irgendwo an seinen Ufern dafür ein Eimer ›schmutziger‹ Strom hineingeschüttet – solcher aus Kohle- oder Kernkraftwerken.
Bedient sich aber einer unserer Kunden, schütten wir die entsprechende Menge ›sauberen‹ Strom in den See – eben Strom aus
regenerativen Energiequellen.« Der Strom, der am Ende aus der Steckdose komme, unterscheide sich nicht – und dennoch würden
die LichtBlick-Kunden durch ihre wachsende Nachfragemacht dafür sorgen, dass mehr und mehr Ökostrom produziert werde: Der
See wird allmählich sauberer.
Aber nicht nur weil all das ein bisschen kompliziert ist, ist der Energiemarkt für neue Anbieter schwer zu erobern. Jeder
nutzt Strom, also hat auch jeder bereits seinen Lieferanten. Anders als etwa beim Mobilfunk, wo innerhalb weniger Jahre ein
völlig neuer Multimilliardenmarkt mit zig Millionen neuen Kunden entstanden ist, gibt es im Stromhandel Wettbewerb, |43| wenn überhaupt, nur als Verdrängungswettbewerb: Wer Kunden gewinnen will, muss sie den Konkurrenten abjagen. Das ist nicht
nur aufwändig und teuer, sondern in diesem Markt auch besonders vertrackt: Denn eben diese Konkurrenten verfügten zu Beginn
der Strommarktliberalisierung über die komplette Infrastruktur: über Netze, Stromzähler, Kundendaten, und sie waren wenig
geneigt, neue Wettbewerber an dem äußerst lukrativen Geschäft teilhaben zu lassen. Zudem gibt es in Deutschland rund 800 unterschiedliche
Anbieter – mächtige Energiekonzerne, aber auch große und kleine Stadtwerke, die oft mit den Konzernen verflochten sind. Mit
jedem Einzelnen muss ein Unternehmen wie LichtBlick verhandeln, wenn es über dessen Leitungen neue Kunden beliefern will.
Und zu allem Überfluss zeigten sich auch die umworbenen Bürger in den Jahren der Marktöffnung nicht eben sehr wechselwillig.
Nachdem sie sich nun schon bei Telefon, Handy und Internet zwischen diversen Anbietern, komplizierten Tarifen und immer neuen
Techniken entscheiden müssen, sind viele liberalisierungsmüde Bundesbürger offenbar froh, wenn der Strom einfach wie bisher
aus der Steckdose kommt – von wem und woher auch immer, koste er, was er wolle.
Warum hat sich Heiko von Tschischwitz ausgerechnet dieses komplizierte Geschäft für seine Gründung ausgesucht? »Das folgte
keinem ausgefeilten Plan. Ich war nie ein Typ, der sich langfristige Ziele gesetzt hat in dem Sinne: Ich will in der Schule
einen Einser-Abschluss, dann studiere ich dies und jenes, dann mache ich mich in einer bestimmten Branche selbstständig und
werde reich. Ich habe immer versucht, Dinge zu tun, die mir Spaß machen – und ich war immer überzeugt, dass das dann auch
erfolgreich sein wird. Das ist so eine Art |44| Lebensphilosophie, und die hat ja bisher auch gut funktioniert. Man kann Erfolg nicht verbissen planen, so geht das nicht.
Man muss Spaß bei der Arbeit haben, sonst ist man auch nicht gut. Die Kunst ist, sich etwas zu suchen, was einem Freude bereitet
– dann findet man seine Erfüllung und kommt damit auch ziemlich weit.«
Heiko von Tschischwitz, Jahrgang 1968, stammt aus Duisburg. Er wollte da weg, nach dem Abitur zog er nach München und schrieb
sich an der Uni für das Fach Maschinenbau ein. »Mein Vater war Wirtschaftsingenieur, aber ich glaube nicht, dass mich das
sehr geprägt hat, denn meine Eltern haben mich immer weitgehend mein Ding machen lassen. Noch kurz vor dem Abi hatte ich keine
Ahnung, was ich studieren sollte – ich wusste nur, dass es etwas mit Technik in Verbindung mit Wirtschaft sein sollte.« Nach
dem Vordiplom wechselte er
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