Gründergeschichten
gemeinsam mit zwei Freunden nach Hamburg – weil er die Stadt besonders schön findet, und außerdem
bot die damals noch junge Technische Universität Harburg im Süden der Hansestadt sehr gute Bedingungen. Heiko von Tschischwitz
spezialisierte sich auf Energietechnik. »Wir saßen da oft nur mit einer Handvoll Studenten in den Vorlesungen, und die Professoren
hatten gute Beziehungen zur Branche. Es war großartig.« Das Angebot, bei der Traditionswerft Blohm+Voss zu promovieren, schlug
von Tschischwitz aus.
Deshalb brachte ihn einer seiner Professoren 1994 mit der Hamburger Kaufmannsfamilie Saalfeld zusammen – eine Begegnung, ohne
die es LichtBlick heute nicht gäbe. Michael Saalfeld hatte sein Büro am feinen Ballindamm in der Hamburger Innenstadt. »Ich
ging zum Vorstellungsgespräch, er erzählte mir zwei Stunden lang, was er alles so macht – und |45| fragte mich zum Abschluss nur: Wann fangen Sie denn an? Bis dahin hatte ich nichts von mir erzählt.« Von Tschischwitz hatte
noch nicht einmal sein Diplom.
Saalfeld betrieb eine kleine Beratungsfirma. Die war darauf spezialisiert, Städten und Stadtwerken dabei zu helfen, sich von
den großen Energiekonzernen unabhängig zu machen, indem sie in eigene Kraftwerke investierten. Saalfeld und seine Leute entwickelten
für Städte wie Schwerin, Neubrandenburg und Cottbus Konzepte, die Planung, Finanzierung und den Betrieb der neuen Anlagen
umfassten. Meist ging es um erdgasbetriebene Anlagen, die nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) arbeiten: Sie erzeugen
nicht nur Strom, sondern nutzen die dabei anfallende Abwärme, um ganze Stadtteile zu heizen. Das macht sie betriebswirtschaftlich
effizient und auch bei Umweltschützern beliebt, weil sie einen höheren Wirkungsgrad haben als konventionelle Kraftwerkstechnik.
In den Jahren nach dem Zusammenbruch der DDR und der Wiedervereinigung war der Beratungsbedarf in den neuen Bundesländern
enorm. Viele ostdeutsche Kommunen betrieben zwar immerhin ein Fernwärmenetz (das sich für die modernen KWK-Anlagen nutzen
ließ), befeuerten es aber mit altertümlichen Öl- und Braunkohlekesseln – echte Dreckschleudern, die nach bundesdeutschem Recht
stillgelegt werden mussten. Den ostdeutschen Bürgermeistern war der Rat aus Hamburg sehr willkommen – und ganz nebenbei betrieb
Saalfelds Firma eine klammheimliche Öffnung des Marktes, Jahre bevor der Strommarkt auch offiziell liberalisiert wurde. Denn
selbstständige Stadtwerke, die sich unabhängig von den großen Energiekonzernen ihren Strom selbst erzeugten – das wurde in
der Welt der lukrativen Monopole gar nicht gern gesehen.
|46| Heiko von Tschischwitz, noch immer keine dreißig Jahre alt, fing als persönlicher Assistent des Firmengründers Michael Saalfeld
an. Der ließ ihm ziemlich freie Hand. »Ich habe in diesen Jahren wahnsinnig viel gelernt. Ich habe mit den Stadtwerken verhandelt,
mit Anlagenbauern, Banken und Rechtsanwälten, habe mich mit der Technik befasst, Verträge entworfen, Finanzierungen ausgearbeitet.
Und natürlich habe ich die Strombranche intensiv kennen gelernt. Die fanden natürlich nicht gut, was wir machten – ist ja
auch blöd, wenn potenzielle Kunden das Produkt einfach selbst herstellen. Das heißt: Die haben uns von 1994 an regelrecht
bekämpft. Ich bin heute überzeugt davon, dass ein wesentlicher Erfolgsfaktor von LichtBlick ist, dass wir damals die Chance
hatten, die Tricks und Machenschaften der etablierten Energiewirtschaft kennen zu lernen. Wir konnten richtig deren Denkweise
studieren. Unsere Projekte mit den Stadtwerken waren ja nicht autonom. Man braucht einen Partner, der überschüssigen Strom
abnimmt, wenn zuviel produziert wird, oder einspringt, wenn die Nachfrage größer ist als die Produktion oder das Kraftwerk
mal gewartet werden muss. Und das zu Monopolzeiten: Wir konnten nur mit einem Anbieter verhandeln, und der hat dann oft versucht,
uns über den Preis unsere Kalkulation und damit das ganze Projekt kaputt zu machen. Dadurch haben wir schon damals gelernt,
uns mit juristischen, etwa kartellrechtlichen, und auch mit politischen Mitteln zu wehren. Das war wirklich eine großartige
Schule für uns.«
Mitte der 90er Jahre zeichnete sich aber auch ab, dass der bundesdeutsche Strommarkt liberalisiert werden würde. Plötzlich
kam Bewegung in die riesige deutsche Energiewirtschaft – und plötzlich wurde Deutschland, der größte Markt |47| in
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