Gruene Armee Fraktion
Berlin-Treptow.
»Heute will Bussung die Spezialisten mal hier im Haus haben.« Schirra führte Mondrian zu einem Aufzug. »Und er fängt immer pünktlich an.«
Geräuschlos glitt der Lift in den zehnten Stock. Nachdem sich die Tür geöffnet hatte, mischten sie sich in eine Phalanx von Beamten, die in einen neonhellen Raum mit Großbildschirmen strömten. Die meisten trugen gedeckte Anzüge, die wie eine Uniform anmuteten. Viele waren so außergewöhnlich unauffällig, dass man meinen konnte, sie wollten sich unsichtbar machen. Die wenigen Frauen wetteiferten mit ihnen, indem sie graue Kostüme trugen oder gleich einen Hosenanzug. Angehörige der Geheimdienste waren dabei, ein Dutzend Polizeibehörden, Abgesandte von Interpol und Europol, dazu Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes und des Zollkriminalamts. Das Kopfende des lang gezogenen Tisches, auf dem eine Batterie von Bildschirmen stand, war für Spitzenbeamte aus dem Innenministerium und eine Bundesanwältin aus Karlsruhe reserviert.
Schirra führte Mondrian an das entgegengesetzte Ende des Tisches, das für die ausgewählten Medienvertreter bestimmt war. Dort saß bereits der Analyst einer Wochenzeitung, ein selbstgefälliger Mittvierziger mit aufgeschwemmtem Gesicht, der seit Langem beste Beziehungen zum Innenministerium pflegte. Daneben reckte ein junger schlaksiger Fernsehmann seine dynamische Tolle in die Höhe. Sein glattes Gesicht war Mondrian von glatten Interviews mit Regierungspolitikern vertraut. Er selbst wurde zu einem Stuhl neben der Reporterin eines Boulevardblattes dirigiert. Sie trug eine durchscheinende lila Bluse und eine Menge nackter Haut darunter und stellte sich flüsternd als Julia Stürmlinger vor. Schräg gegenüber entdeckte Mondrian Daffner, der kurz aufsah. Im selben Moment kam der Staatssekretär in den Raum.
»Willkommen in unserem Raumschiff Enterprise«, sagte Bussung, als er vor einer Wand mit Weltkarten und Uhren mit den Angaben verschiedener Zeitzonen Platz genommen hatte. »Wie Sie alle wissen, hat der Terrorismus eine neue Dimension erreicht. Erst der ermordete Atomingenieur. Dann der ICE. Und nun das entführte Mädchen. Aber ich kann Sie mit einer guten Nachricht überraschen.«
Er nickte dem Vertreter des Landeskriminalamts Niedersachsen zu, einem hochgeschossenen knochigen Mann.
»In diesen Minuten ist das Mädchen wieder frei«, sagte der hagere Beamte, während er ein Papier zur Seite legte. »Nach einem anonymen Hinweis haben wir das Opfer in einer verlassenen Scheune bei Lüchow aufgefunden. Es ist dort offenbar von den Tätern ausgesetzt worden, wahrscheinlich noch in der Nacht nach der Entführung.«
»Gesundheitszustand?«, fragte der Staatssekretär.
»Immer noch unter Drogen, vermutlich traumatisiert.«
»Umso wichtiger, dass heute Morgen Festnahmen erfolgt sind. Es wurde höchste Zeit für einen wirksamen Schlag gegen diese ideologischen Gewaltverbrechen, die auf den ganzen Staat zielen. Ich habe Sie heute hierhergebeten, damit wir alle auf den neuesten Stand kommen, was die Grüne Armee Fraktion angeht. Und Sie werden einige Gesichter sehen, die nicht allen vertraut sind. Vertreter der Presse.«
Bussung nickte zum anderen Ende des Tisches. »Ich denke, dass der Zeitpunkt gekommen ist, um ausgewählte Medien in die besonderen Aufgaben einzubeziehen, die vor uns liegen.«
Er machte eine kleine Pause und blickte die Journalisten der Reihe nach an.
»Sie werden jetzt Dinge hören, die auf der Bundespressekonferenz vorhin nicht bekanntgegeben wurden. Schließlich entscheidet grundsätzlich der Generalbundesanwalt darüber, welche Informationen über die Ermittlungen preisgegeben werden. Er ist der Herr des Verfahrens, formell jedenfalls …«
»Das muss auch so bleiben«, warf die Bundesanwältin aus Karlsruhe entschieden ein.
»… und außerdem gibt es die Unschuldsvermutung. Selbst für Terroristen, solange sie nicht verurteilt sind.«
»Leider«, kam es leise murrend aus einer Ecke.
»Aber hier werden wir jetzt Klartext reden. Und selbstverständlich erwarten wir von den Medienvertretern, dass keine sicherheitsrelevanten Informationen veröffentlicht werden, ohne dass Sie sich mit uns abstimmen.«
Die Presseleute nickten. Außer Mondrian.
»Und dass wir Ihre Manuskripte lesen können, bevor sie in Druck gehen. Nur zur Vermeidung sachlicher Fehler natürlich.«
Der korpulente Analyst nickte wieder. »Wie wir das immer gehandhabt haben.« Verblüfft bemerkte Mondrian, dass sich die
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