Gruene Armee Fraktion
wischte er sich mit dem Ärmel den Rotz vom Gesicht.
»Volltreffer«, brummte er säuerlich.
»Was hat der Junge denn gegen Sie?« Der Verfassungsschützer reichte ihm zur Begrüßung seine weiche Hand, wie üblich mit einem charmanten Lächeln.
»Wahrscheinlich denkt er, ich hätte für Sie gearbeitet.«
»Wie kommt er denn darauf?« Ein verwunderter Ton in der Stimme, der Mondrian scheinheilig vorkam.
»Das wissen Sie vermutlich besser als ich. Es waren doch Ihre Leute, die mir den Peilsender unter den Wagen geklebt haben«, gab er brüsk zurück.
»Ach, Sie meinen dieses Ortungsmodul? Alles nur zu Ihrem Schutz, mein Bester. Wir wussten ja nicht, was diese grüne Bande mit Ihnen anstellt.«
»Sind Sie sich denn sicher, dass Sie die Richtigen haben?« Mondrian deutete mit dem Kopf auf die abfahrenden Gefangenentransporter.
»Sie zweifeln daran? Nach allem, was Sie bei diesen Leuten gehört haben?«
Woher, verdammt, wusste Schirra, was er in der Wohnung mit Speedy und Konsorten besprochen hatte?, schoss es Mondrian durch den Kopf.
Der Verfassungsschützer fixierte ihn sekundenlang mit einem ausdruckslosen Blick. »Der Dienst macht keine Fehler.«
Er trat ein paar Schritte nach hinten und sprach leise mit einem Mann mittleren Alters in Zivil, der aus einem schwarzen Wagen mit Bundeskennzeichen gestiegen war. Dann kehrte er zu Mondrian zurück.
»Kommen Sie heute um vierzehn Uhr zum Innenministerium in Berlin. Ich erwarte Sie im Foyer am Springbrunnen. Dort werden Sie mehr erfahren.«
Vielleicht auch, wo Ricarda Walde war?
In der Kolonne der Festgenommenen hatte Mondrian sie nicht entdeckt. Ein merkwürdiges Gefühl keimte in ihm auf, nicht nur Verwunderung, sondern auch ein Anflug von Erleichterung, der ihn irritierte.
War die Frau, die er in den Armen gehalten hatte, dem SEK entwischt?
31
Bundesinnenministerium, Berlin
Das glitzernde Gebäude wirkte stolz und unnahbar. Wie ein gigantisches U aus Glas und poliertem Stein lag es an einem Spreebogen mitten in Berlin. Die spiegelnden Scheiben verwehrten jeden Blick ins Innere, die dreizehnstöckige Fassade wurde von Videokameras überwacht. Wie Adler hockten sie auf dem Dach und strichen mit ihren Augen über die glänzende Außenhaut bis zu den gerundeten Enden. Draußen vor der Zufahrt, auf der lärmenden Straße Alt-Moabit, drängten sich billige Telefonshops, Schnapsgeschäfte und Reiseläden mit Ramschangeboten, als kämpften sie in einem verfallenden Vorstadtviertel ums Überleben. Doch sobald man durch einen kühn geschwungenen Metallbogen in einen großen Hof gebogen war, wurde man von einer unwirklichen Stille empfangen. Die Rasenkanten waren wie mit dem Lineal gezogen, die Rosenbüsche makellos, und unter schwarz-rot-goldenen Bundesflaggen bewachten uniformierte Bundespolizisten den Palast der Macht.
Mondrian war absichtlich zu früh gekommen. Er wusste, dass er die schlechte Angewohnheit hatte, alles auf die letzte Minute zu planen. Diesmal wollte er das Gelände erkunden, ohne gehetzt zu sein. Er parkte in der Tiefgarage und ging durch die Grünanlage zur Spree, auf der Polizeiboote patrouillierten. Durch die Sonnenbrille peilte er hoch zum obersten Stock, wo der Minister sein Büro mit Blick über den Tiergarten bis zum Reichstag hatte. Er steuerte den von Palmen gesäumten Brunnen im Foyer an, um dort auf Schirra zu warten. Doch der lächelnde Geheimdienst-Mann war schon da.
»Haben Sie vorhin die Bundespressekonferenz verfolgt? Die Statements des Generalbundesanwalts und des Ministers?« Schirra schien immer noch begeistert.
Mondrian nickte. »So einen Kampf um Plätze hab ich selten erlebt.«
»Dann werden Sie die geschlossene Gesellschaft umso mehr schätzen, an der Sie hier teilnehmen können. Außer Ihnen sind nur drei Journalisten dabei.«
»Hofberichterstatter des Ministeriums?« Mondrians Spitze ließ sich kaum überhören.
»Warten Sie’s ab«, entgegnete Schirra unbeirrt, »jedenfalls Leute, die das Vertrauen von Dr. Bussung haben. Der Staatssekretär leitet die Sitzung.«
»Was ist das für eine Runde?«
»Eine Sondersitzung des GTAZ. Sagt Ihnen das was?«
»Ist das nicht diese hochgeheime Superbehörde?«, fragte Mondrian spöttisch. Natürlich wusste er, dass das »Gemeinsame Terrorismus-Abwehr-Zentrum« das Herz der Terrorbekämpfung in Deutschland war, zusammengesetzt aus Vertretern von vierzig Sicherheitsbehörden. Aber üblicherweise trafen sie sich in einem abgeschotteten Gebäude in
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