Grünes Gift
fest. »Wenn Sie nichts dagegen haben, würden wir Ihre Ausführungen gerne noch einmal durchgehen, während Sie sich ausruhen.«
»O ja, Sie können ihn selbstverständlich behalten«, entgegnete Sheila. »Komm, Nancy, laß uns gehen.«
»Ich glaube…«, begann Nancy, doch als sie Sheila in die Augen sah und ihren angespannten und entschlossenen Blick registrierte, erhob sie sich. Anscheinend wußte Sheila mehr als sie.
»Was halten Sie davon, nach dem Mittagessen weiterzumachen?« schlug Sheila vor. »Sagen wir zwischen dreizehn und vierzehn Uhr.«
»Das müßte gehen«, erwiderte Dr. Marchand und sah die Abteilungsleiter fragend an. Sie nickten.
Eugene schlug die Beine übereinander und blieb sitzen. Die wortlose Kommunikation zwischen Sheila und seiner Frau war völlig an ihm vorbeigegangen. »Ich bleibe wohl besser hier«, schlug er vor.
»Du kommst mit uns!« befahl Nancy und zog ihn vom Stuhl hoch. Dann lächelte sie ihre Gastgeber an, die freundlich zurückgrinsten.
Zu dritt verließen sie Dr. Marchands Büro, passierten das Sekretariat und gingen den blaßgrün gestrichenen Flur entlang. Vor dem Fahrstuhl beklagte sich Eugene, doch Nancy zischte, er solle den Mund halten.
»Zumindest bis wir im Auto sitzen«, flüsterte Sheila. Sie fuhren mit freundlich lächelnden Menschen hinunter und wünschten sich allseits einen guten Tag. Als sie das Auto erreichten und einstiegen, wollte Eugene endlich wissen, warum sie so überstürzt aufgebrochen waren.
»Was ist eigentlich los?« fragte er irritiert, während er den Schlüssel ins Zündschloß steckte. »Wir mußten eine ganze Stunde auf die Leute einreden, bis wir endlich ihr Interesse geweckt hatten, und dann fällt Ihnen plötzlich ein, daß wir uns dringend ausruhen müssen. Das ist doch wahnsinnig!«
»Sie sind alle infiziert«, entgegnete Sheila. »Jeder einzelne von ihnen.«
»Sind Sie sicher?« fragte Eugene entsetzt. »Absolut sicher«, versicherte Sheila. »Es besteht nicht der geringste Zweifel.«
»Ich nehme an, dann fahren wir jetzt auch nicht zum Sheraton«, vermutete Nancy.
»Um Himmels willen, nein!« entgegnete Sheila. »Wir müssen zum Flughafen. Wir sind wieder da, wo wir angefangen haben.«
Die Reporter hatten sich am Tor versammelt. Beau hatte sie zwar nicht eingeladen, aber er hatte vorausgesehen, daß sie kommen würden; nur an welchem Tag sie erscheinen würden, hatte er nicht gewußt. Als die jungen Männer am Tor ihn informiert hatten, daß Leute von der Presse da seien, hatte er die Torwächter angewiesen, die Reporter um eine Viertelstunde Geduld zu bitten. Er wollte Zeit haben, ihnen entgegenzugehen, denn er wollte sie auf keinen Fall in den Ballsaal lassen, jedenfalls noch nicht.
Er staunte nicht schlecht als er sah, wie viele gekommen waren. Er hatte mit zehn oder fünfzehn gerechnet; statt dessen waren etwa fünfzig erschienen. Er zählte ungefähr zehn Kameras, jeder Reporter hielt ein Mikrophon. »Vor sich sehen Sie das Institut für einen Neubeginn«, begann Beau und deutete mit einer Handbewegung auf den Palast.
»Wir haben gehört, daß Sie in dem Gebäude alles abreißen und erneuern«, meldete sich ein Reporter zu Wort.
»Ich würde nicht sagen alles«, erwiderte Beau. »Aber es stimmt, wir nehmen ein paar Veränderungen vor, damit das Haus mehr unseren Bedürfnissen entspricht.«
»Dürfen wir das Gebäude besichtigen?« fragte einer der Journalisten.
»Heute nicht«, erwiderte Beau. »Es würde zu sehr stören, denn im Augenblick wird drinnen gearbeitet.«
»Soll das heißen, wir sind völlig umsonst hier rausgefahren?« warf ein Reporter ein.
»Das glaube ich kaum«, erwiderte Beau. »Zumindest können Sie sich davon überzeugen, daß das Institut tatsächlich existiert.«
»Stimmt es, daß das gesamte Vermögen von Cipher Software inzwischen von dem Institut für einen Neubeginn kontrolliert wird?«
»Ein Großteil«, erwiderte Beau vage. »Aber vielleicht sollten Sie diese Frage besser Mr. Nite stellen.«
»Das würden wir gerne«, entgegnete ein Journalist. »Aber er ist nie zu erreichen. Ich habe rund um die Uhr versucht, einen Interviewtermin mit ihm zu vereinbaren, leider ohne Erfolg.«
»Er ist sehr beschäftigt«, erklärte Beau. »Er widmet sich jetzt voll und ganz den Zielen des Instituts. Aber ich glaube, ich kann ihn dazu bringen, in nächster Zeit mit Ihnen zu reden.«
»Was verstehen Sie eigentlich unter diesem ›Neubeginn‹?« wollte ein besonders skeptischer Journalist
Weitere Kostenlose Bücher