Grünes Gift
müssen uns nur eins aussuchen, das uns am geeignetsten erscheint.«
»Stimmt…« grübelte Sheila. »In unserer ursprünglichen Gewebekultur wurde das Virus wahrscheinlich durch die Andenoviren aktiviert, die wir für die DNA-Untersuchung verwendet haben.«
»Kommen Sie!« forderte Harlan sie auf. »Ich zeige Ihnen mal, was unser Virenschrank so alles zu bieten hat.« Sheila stand auf. Sie hatte starke Zweifel, ob man es tatsächlich wagen sollte, Feuer mit Feuer zu bekämpfen, wollte Harlans Idee aber nicht von vornherein abtun.
Neben dem Gefrierschrank hing ein Bücherregal. Auf dem Bord standen drei große, schwarze Ringbücher. Harlan reichte Sheila und Pitt jeweils eins, das dritte nahm er selbst.
»Das ist so etwas Ähnliches wie die Weinkarte in einem feinen Restaurant«, witzelte er. »Aber denken Sie daran - wir brauchen ein stark infektiöses Virus.«
»Was meinen Sie mit ›stark infektiös‹?« fragte Pitt.
»Es sollte von Person zu Person übertragen werden«, erwiderte Harlan. »Und es muß sich über die Luft verbreiten - im Gegensatz zu dem AIDS- oder Hepatitisvirus. Was wir brauchen, ist eine weltweite Epidemie.«
»Ach du meine Güte!« staunte Pitt, als er das Inhaltsverzeichnis seines Ordners las. »Ich wußte gar nicht, daß es so viele verschiedene Viren gibt. Das ist ja Wahnsinn! Sogar das Ebola-Virus wird in diesem Gefrierschrank gebunkert!«
»Das kommt natürlich nicht in Frage«, entgegnete Harlan. »Was wir brauchen, ist eine Krankheit, die nicht tödlich verläuft. Schließlich soll jedes infizierte Individuum möglichst viele seiner Mitmenschen anstecken. Ob Sie es glauben oder nicht - Viruserkrankungen, die sehr schnell zum Tode führen, verbreiten sich meistens nicht epidemieartig.«
»Wie wäre es mit Arenaviren?« fragte Sheila. »Auch zu aggressiv.«
»Und was halten sie von der Familie der Orthomyxoviridae?« fragte Pitt. »Influenzaviren sind zweifelsohne sehr infektiös. Sie haben schon mehrfach weltweite Epidemien ausgelöst.«
»Wäre eine Möglichkeit«, befand Harlan. »Dagegen spricht jedoch die relativ lange Inkubationszeit. Außerdem kann auch eine Influenza leicht tödlich verlaufen. Am liebsten wäre mir ein extrem schnell ansteckendes, aber relativ harmloses Virus. Hier habe ich etwas! Das ist es, wonach ich gesucht habe!« Harlan legte seinen Ordner auf den Schreibtisch. Er hatte Seite 99 aufgeschlagen. Sheila und Pitt beugten sich über den Text.
»Picornaviridae«, las Pitt laut. Er hatte Schwierigkeiten, das Wort auszusprechen. »Keine Ahnung, was sie bewirken.«
»Vor allem interessiert mich dieses Genus«, erklärte Harlan und zeigte auf eine der verschiedenen Gattungen.
»Rhinoviren«, las Pitt.
»Genau«, entgegnete Harlan. »Sie rufen den allgemein bekannten Schnupfen hervor. Wäre es nicht grotesk, wenn wir durch die Verbreitung des Schnupfens die Menschheit retten könnten?«
»Aber bei einer Erkältungswelle steckt sich doch längst nicht jeder an«, gab Pitt zu bedenken.
»Stimmt«, entgegnete Harlan. »Einige Menschen sind relativ gut gegen die vielen verschiedenen Stämme gefeit, andere stecken sich sofort an. Aber vielleicht sollten wir mal nachsehen, was unsere Pentagon-Mikrobiologen zu dem Thema zu sagen haben.«
Er blätterte weiter, bis er das Kapitel über die Rhinoviren gefunden hatte. Es umfaßte sechsunddreißig Seiten. Auf der ersten Seite befand sich ein Verzeichnis der verschiedenen Serotypen sowie ein kurzes Resümee.
Die Verfasser hielten die Gattung der Rhinoviren lediglich für begrenzt tauglich, weil die Viren zwar Infektionen im Nasen-Rachen-Raum hervorriefen und dadurch die Leistungsfähigkeit einer modernen Armee zu beeinträchtigen imstande seien, diese jedoch lange nicht so gründlich außer Gefecht setzen würden wie zum Beispiel Enteroviren, die zu schweren gastrointestinalen Störungen führten.
»Klingt so, als hätten sie für Rhinoviren nicht viel übrig gehabt«, bemerkte Pitt.
»Stimmt«, entgegnete Harlan. »Aber bei uns ist das etwas anderes. Wir wollen ja keine Armee außer Gefecht setzen. Wenn wir das Virus unter die Menschen bringen, wollen wir ihnen damit ja lediglich ein paar Stoffwechselprobleme bescheren, damit das außerirdische Virus ihre Zellen verläßt.«
»Hier steht etwas sehr Interessantes«, sagte Sheila und zeigte auf einen Unterpunkt im Inhaltsverzeichnnis: Künstliche Rhinoviren.
»Das ist es!« rief Harlan begeistert. »Genau die brauchen wir!«
Er blätterte hektisch weiter,
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