Grünes Gift
dicke Schutzhandschuhe übergezogen hatte, scheuerte er die Dusche und das Waschbecken und desinfizierte die Toilette. Danach wischte er den Boden. Im Krankenzimmer zog er zunächst das Bett ab und lüftete die Matratze. Einschließlich der Fensterbank wischte er sämtliche horizontalen Flächen ab. Als er gerade mit dem Putzen beginnen wollte, sah er aus dem Augenwinkel heraus ein Glühen. Er drehte sich zum Nachtschränkchen um und starrte auf den kleinen Safe. Obwohl sein Verstand ihm sagte, daß es grotesk war, schien die Box zu glühen, als ob sie von innen heraus beleuchtet würde. Natürlich machte das keinen Sinn, denn die Box war aus Metall, und so hell ein etwaiges, innen leuchtendes Licht auch sein mochte - es würde niemals durch das Metall hindurchscheinen.
Charlie lehnte den Mop gegen den Eimer und ging ein paar Schritte auf das Nachtschränkchen zu, um die Box zu öffnen. Doch einen Meter vor seinem Ziel blieb er stehen. Die Box glühte jetzt noch stärker. Er glaubte, sogar Wärme in seinem Gesicht zu spüren!
Sein erster Gedanke war, so schnell wie möglich abzuhauen, doch er zögerte. Das seltsame Schauspiel, das sich seinen Augen darbot, jagte ihm zwar ein wenig Angst ein, doch gleichzeitig war er auch ungeheuer neugierig. Völlig überraschend sprühte die Box plötzlich Funken in alle Richtungen. Gleichzeitig war ein Zischen zu hören, das ihn an Schweißgeräusche erinnerte. Charlie hob intuitiv die Hände, um sein Gesicht zu schützen. Doch noch bevor er sie oben hatte, erstarrte er. An der Stelle, an der gerade Funken gesprüht waren, erschien plötzlich eine glühend rote, rotierende Scheibe in der Größe eines Silberdollars. Sie hatte sich durch das Metall gebrannt und einen rauchenden Schlitz hinterlassen. Charlie blieb wie festgenagelt stehen. Die rotierende Scheibe bewegte sich langsam auf das Fenster zu und passierte seinen Arm in etwa dreißig Zentimetern Entfernung. Am Fenster angelangt, schwebte sie eine Weile auf der Stelle, als ob sie den Anblick des nächtlichen Himmels bewunderte. Dann änderte sie ihre Farbe: Sie glühte nun nicht mehr rot, sondern weiß und war von einem hellen Kranz umgeben, der wie ein schmaler Heiligenschein aussah.
Seine Neugier trieb ihn immer näher an das mysteriöse Objekt heran. Wenn er irgend jemandem erzählen würde, was er gerade sah, würde ihm das garantiert niemand glauben. Um sich zu vergewissern, daß das Objekt auch bestimmt nicht an einem Draht oder an einer Schnur hing, fuhr er mit der Hand über das Objekt. Es war ihm unbegreiflich, wieso die Scheibe einfach so in der Luft hing.
Das Objekt strahlte eine seltsame Hitze aus, die auf seiner Haut ein Kribbeln verursachte. Als er den Kranz berührte, verstärkte sich das Kribbeln noch.
Zunächst schien die Scheibe Charlie zu ignorieren, doch als er dem mysteriösen Objekt den Blick auf den Nachthimmel versperrte, bewegte es sich ein wenig zur Seite. Bevor Charlie reagieren konnte, brannte sie blitzschnell ein Loch durch seine Hand! Dabei verdampften Haut, Knochen, Bänder, Nerven und Blutzellen.
Charlie schrie, allerdings mehr vor Schreck als vor Schmerz. Es war alles unglaublich schnell gegangen. Er taumelte zurück, starrte ungläubig auf seine perforierte Hand und nahm den unverwechselbaren Gestank von verbranntem Fleisch wahr. Im nächsten Augenblick wuchs der das Objekt umgebende Kranz auf einen Durchmesser von dreißig Zentimetern an. Während Charlie zu keiner Reaktion fähig war, zischte das Objekt erst leise und dann immer lauter, bis der Lärm ohrenbetäubend war. Gleichzeitig spürte Charlie, wie eine Kraft ihn zum Fenster hin zog. Panisch versuchte er sich mit seiner unverletzten Hand am Bett festzuhalten, doch das hatte zur Folge, daß ihm die Beine weggezogen wurden. Mit zusammengebissenen Zähne stemmte er sich dagegen, obwohl sich jetzt auch das Bett bewegte. Das laute Zischen und der Sog dauerten nur ein paar Sekunden. Dann folgte ein Geräusch, das Charlie vage an das Schließen einer Vakuum-Schleuse erinnerte. Er ließ das Bett los und versuchte aufzustehen, doch er kam nicht hoch. Seine Beine waren wie aus Gummi. Er war sich jetzt ganz sicher, daß irgend etwas Furchtbares vor sich ging und versuchte um Hilfe zu schreien. Doch seine Stimme war so schwach, und er produzierte so viel Speichel, daß er kaum einen Ton herausbrachte. Alle Kraft zusammennehmend, versuchte er zur Tür zu kriechen. Doch seine Mühe war vergeblich. Er hatte kaum einen Meter zurückgelegt, als
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