Grünes Gift
erste Vermutung bewahrheitet sich. Jedenfalls ist das Potential des Virus, zum Ausbruch zu kommen, in unserem Genom enthalten, so wie zum Beispiel ein Geschwulst in Form von Krebs zu Ausdruck kommen kann. Wir wissen bereits, daß sich einzelne Teile anderer Viren in unserer DNA angesiedelt haben. Hier aber haben wir es offenbar mit einem besonders monströsen Virus zu tun.« Für ein paar Minuten herrschte ehrfürchtige Ruhe. Dann nahm Pitt sich ein paar Chips aus der Schale. Seine Kaugeräusche waren unnatürlich laut. Als er merkte, daß die anderen ihn anstarrten, entschuldigte er sich.
»Ich glaube, daß diese Mega-Viren nicht damit zufrieden sind, sich in uns einzunisten«, brach Cassy plötzlich das Schweigen. »Ich fürchte, sie sind imstande, einen ganzen Organismus mutieren zu lassen.«
Alle Augen richteten sich auf Cassy. »Wie kommen Sie darauf?« fragte Sheila. »Ich habe heute Beau besucht«, erwiderte Cassy.
»Das war nicht besonders klug von Ihnen«, sagte Sheila hart.
»Ich mußte es tun«, entgegnete Cassy. »Ich mußte einfach noch einmal mit ihm reden und ihm vorschlagen, nach Hause zu kommen und sich untersuchen zu lassen.«
»Haben Sie ihm von unserer Gruppe erzählt?« wollte Sheila wissen.
Cassy schüttelte den Kopf. Wenn sie an ihre Begegnung mit Beau dachte, bekam sie feuchte Augen.
Pitt stand auf, setzte sich auf die Lehne ihres Stuhls und legte einen Arm um ihre Schultern.
»Und wie kommen Sie darauf, daß das Virus eine Mutation bewirken kann?« fragte Nancy. »Meinen Sie eine somatische Mutation? Hat sich sein Körper verändert?«
»Ja«, erwiderte Cassy und griff nach Pitts Hand. »Die Haut hinter seinem Ohr hat sich verändert. Es ist keine menschliche Haut mehr. Sie fühlt sich wie etwas an, daß ich noch nie im Leben berührt habe.«
Diese Enthüllung verschlug ihnen erneut die Sprache. Die Bedrohung schien immer größer zu werden. Lauerte etwa in jedem von ihnen ein Monster?
»Wir müssen etwas unternehmen!« brachte Jesse schließlich hervor. »Und zwar sofort.«
»Das sehe ich auch so«, stimmte Sheila ihm zu. »Wir verfügen zwar noch nicht über viele Informationen, aber einiges haben wir immerhin schon zusammengetragen.«
»Und wir haben das Protein«, fügt Nancy hinzu. »Auch wenn wir noch nicht viel darüber wissen.«
»Außerdem haben wir die Scheiben und eine erste Analyse ihrer Zusammensetzung«, ergänzte Eugene. »Das größte Problem ist, daß wir nicht wissen, wer infiziert ist und wer nicht«, grübelte Sheila.
»Damit müssen wir leben«, entgegnete Cassy. Nancy stimmte ihr zu. »Wir haben keine Wahl. Ich bin dafür, zunächst mal all unsere Informationen in einem mehr oder weniger förmlichen Bericht zu Papier zu bringen. Ich möchte etwas in der Hand haben. Wahrscheinlich erledigen wir das am besten in meinem Büro bei Serotec. Dort werden wir nicht gestört und wir haben, was wir brauchen, Computer, Drucker und Kopierer. Was halten Sie davon?«
»Auf geht’s!« rief Jesse und erhob sich vom Sofa. »Wir sollten keine Zeit verlieren.«
Eugene verstaute den Tupperbehälter mit den Scheiben in seiner Aktentasche, in der sich außerdem die ausgedruckten Testergebnisse befanden. Er hängte sich die Tasche über die Schalter und folgte den anderen nach draußen. Sie quetschten sich alle in den Kleintransporter der Seilers. Nancy setzte sich hinters Steuer. Als sie losfuhren, warf Jonathan einen Blick durch das Rückfenster. Einige der vielen Spaziergänger beobachteten sie, doch die meisten schenkten ihnen keinerlei Beachtung.
Eine knappe Stunde später waren sie bereits eifrig bei der Arbeit. Cassy und Pitt saßen am Computer, Jonathan leistete technische Unterstützung. Nancy und Eugene kopierten ihre Testergebnisse, während Sheila die Krankenblätter zahlloser Grippepatienten verglich. Jesse telefonierte. »Ich glaube, Sie sollten unsere Sprecherin sein«, wandte sich Nancy an Sheila. »Schließlich sind sie Ärztin.«
»Keine Frage«, stimmte Eugene zu. »Sie können die entscheidenden Leute sicher am ehesten überzeugen. Falls notwendig, unterstützen wir Sie natürlich jederzeit mit zusätzlichen Ergebnisse und Details.«
»Da bürden Sie mir aber eine ganz schöne Verantwortung auf«, stellte Sheila fest.
Jesse hatte sein Telefonat beendet. »In siebzig Minuten gibt es einen Flieger nach Atlanta. Ich habe drei Plätze gebucht. Es reicht ja, wenn Sheila, Nancy und Eugene fliegen.« Nancy sah Jonathan an. »Ich glaube, es ist besser, wenn
Weitere Kostenlose Bücher