Grünmantel
»Und Tandy ist immer heiß, Jungs - ihr wißt, was ich meine?« An einem Tisch in der Nähe der kleinen Bühne an seinem Bier nippend, glaubte Howie Peale zu wissen, was der Kerl meinte.
Sie konnte kaum älter als siebzehn sein, und dazu dieser Körper. Verdammt, sie beherrschte die Bewegungen, weiß Gott! Heiße Versprechungen, spielerisch angedeutet nur, aber trotzdem so eindeutig, daß Howie am liebsten in das Johlen und Pfeifen der anderen Kerle eingestimmt hätte. Aber er hielt sich zurück, denn er wollte vor seinem neuen Freund nicht wie ein Arschloch dastehen. Earl Shaw hatte nicht mal einen Blick übrig für die Show, sondern hatte seinen Stiernacken über die Ausgabe des Toronto Star vom Vortag gebeugt, die vor ihm auf dem Tisch lag. Dabei trank er Whiskey - pur - aus einem Bierglas. Howie hatte Earl im Knast kennengelernt; beide hatten wegen Trunkenheit und Sachbeschädigung im Don Jail gesessen. Howie hatte sofort erkannt, daß Earl sein Mann war. Howie war kein großes Kaliber und auch nicht gerade clever. Er hatte die Straße nur überlebt, weil er sich immer anderen anschloß, die beides waren. Er hatte Botengänge und kleinere Aufträge erledigt, was so gerade anfiel - und dabei immer darauf geachtet, sich das Wohlwollen desjenigen zu bewahren, der gerade ›sein Mann‹ war. Und im Moment war dieser Mann Earl.
Earl war ein Kerl, den man wirklich respektieren konnte. Schlau und knallhart, ein Typ der sich von niemandem an den Karren pinkeln ließ. Selbst die Wärter im Knast hatten nicht gewagt, ihm auf die Füße zu treten. Am ersten Abend nach ihrer Entlassung hatten er und Earl eine Tankstelle überfallen. Zweihundertdreiundzwanzig Scheinchen plus Kleingeld hatten sie dadurch verdient, daß sie einem pickligen Jüngelchen einen Pistolenlauf unter die Nase gehalten hatten. Earl hatte sogar halbe-halbe gemacht. Keine Frage, den Burschen muß man sich warmhalten, dachte Howie.
Tandy Hots war nun nackt bis auf ihren straßbesetzten G-String. Langsam bewegte sie sich über die Bühne, bis sie sich genau vor ihrem Tisch befand.
»Scheint denen ja richtig Spaß zu machen, da oben zu sein, was meinst du, Earl?« Howie ließ den Blick zum Unterleib der Tänzerin hochwandern und leckte sich die Lippen.
Earl schenkte dem Mädchen nur einen kurzen Blick und grunzte. »Wen zum Teufel interessiert es, was denen Spaß macht?« meinte er. »Die Weiber tun ja doch nur, was man ihnen sagt.«
Howie nickte. Während die Tänzerin ihren Körper den Blicken der anderen Gäste darbot, versuchte er sich vorzustellen, wie es wäre, wenn eine solche Frau ihm gehörte und nur das täte, was er ihr sagte - wenn nur sie beide in einem Hotel oder an einem anderen Ort wären, nicht in diesem Strip-Schuppen auf der Yonge Street ... Seine Tagträumerei fand ein jähes Ende, als er bemerkte, wie sein Kumpel sich plötzlich versteifte.
»Sieh dir das an«, brummte Earl und drehte die Zeitung zu Howie um. Sie zeigte das Foto einer gutaussehenden Frau, die gerade einen Scheck von einem Wintario-Offiziellen entgegennahm. Sie hat zwar nicht die Figur von Tandy Hots, dachte Howie, ist aber auch nicht übel.
Er las die Schlagzeile. Sie hieß Frances Treasure und hatte gerade zweihundert Riesen in der Lotterie gewonnen. Langsam schüttelte er den Kopf. Jesus! Zweihundert Riesen! Und das ganze Geld wollte sie nur dazu verwenden, das Anwesen zurückzukaufen, in dem sie aufgewachsen war, und es wieder auf Vordermann zu bringen.
»Ich sage dir, Howie«, brummte Earl, »irgend jemand kümmert sich da um mich.«
»Was meinst du damit?«
Earl legte seinen Finger auf das Foto. »Siehst du diese Schnalle?«
»Yeah, ’ne Pussy im Glück.«
»Sie ist meine Ex«, behauptete Earl.
Howie sah sich das Foto genauer an. »Kein Scheiß?«
»Kein Scheiß«, bestätigte Earl und sah Howie in die Augen. »Und weißt du, Howie, mein Freund, was ich denke?«
Howie schüttelte den Kopf.
»Ich denke, sie schuldet mir was. Aber zuerst müssen wir sie natürlich finden. Das könnt ’ne Zeitlang dauern. Aber dann ...« Er grinste, ein langsam breiter werdendes, gemeines Grinsen, das seinem Gesicht einen irren Ausdruck verlieh. Howie grinste zurück. Der Hurensohn hatte schon ’ne komische Ader in sich, die ’ne Meile breit war, aber Howie würde den Burschen auf keinen Fall vom Haken lassen. Ganz besonders nicht in dem Augenblick, in dem gute Zeiten auf sie zukamen.
»Und was machen wir dann?« fragte er.
Earls Grinsen wurde noch breiter.
Weitere Kostenlose Bücher