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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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gut vertragen.
    Als Ali hinter ein paar Bäumen aus dem Blickfeld verschwunden war, machte sich Frankie wieder an die Arbeit. Sie suchte sich einen Karton aus und räumte dessen Inhalt in den Küchenschrank ein.

    Ali war glücklich, durch das Anwesen zu streifen und ihren Stock zu schwingen. Zack! Sie beobachtete, wie die Samen bei dem Schlag aufstoben und langsam zu Boden sanken. Ein paar erreichten ihn, andere blieben in den Büschen und im Gras hängen. Einige packte der Wind und wehte sie davon. Zack! Sie wußte, daß ihre Mutter sich Sorgen machte, und wünschte, es wäre nicht so. Hier herauszuziehen war die erste gute Sache, die ihnen seit langer Zeit widerfahren war.
    Nicht daß die vierzehn Jahre ihres Lebens schlimm gewesen wären. Es war nur so, daß sie nun, bei ihrem Leben hier draußen ohne andere Kinder ihres Alters, nicht mehr so tun mußte, als besäße sie alle die Dinge, die jene auch hatten. Zack! Wenn ihre Mutter wüßte, wie sie sich wirklich fühlte, hätte sie Grund genug, besorgt zu sein. Aber Ali würde diese Katze nicht aus dem Sack lassen.
    Wie aber sollte sie ihr erklären, daß sie die Kinder ihres Alters nicht mochte, daß sie keine Lust hatte, mit ihnen herumzuhängen, Alkohol zu trinken oder Zigaretten und Dope zu rauchen, den Jungs hinterherzurennen und sich gegenseitig auf einem Autorücksitz oder auf einem Wohnzimmer-Sofa zu befummeln, wenn die Eltern ausgegangen waren ... Wer brauchte das schon? Zack! Vielleicht konnte sie nicht mit Worten ausdrücken, was sie wichtig fand, doch wenigstens wußte sie, was nicht wichtig für sie war.
    Hier draußen konnte sie tun und lassen, was sie wollte. Spaziergänge machen, lesen, herausfinden, wer sie sein wollte, ohne dabei von anderen Jugendlichen beeinflußt zu werden - oder von ihrer Mutter, die verzweifelt hoffte, daß sie sich einfügen, anpassen würde, daß die vielen Umzüge in andere Städte und Orte ihrer unterentwickelten Psyche nicht zu sehr geschadet hatten.
    Ali lächelte und schlug nach einem weiteren Löwenzahn. Unterentwickelt. Das war auch eine Sache, mit der andere Kinder sie gern ärgerten. Die Tatsache, daß sie immer noch dünn wie eine Bohnenstange war und nichts in der Bluse hatte wie die anderen Mädchen. Zack! Wer brauchte das schon? Sie hatte erlebt, was die gute Figur ihrer Mutter eingebrockt hatte.
    Sie hob den Stock, um nach einer größeren Blüte zu schlagen. Das war auch etwas, das sie sofort in Angriff nehmen mußte: die Namen von Pflanzen, Bäumen und allen anderen Dingen hier um sie herum lernen. Mitten in der Bewegung erstarrte sie mit hoch erhobenem Stock: Vom Straßenrand äugte ein Kaninchen zu ihr herüber.
    Ali wagte kaum zu atmen. Das Tier betrachtete sie mit feuchten braunen Augen, seine Nase zitterte. Mein Gott, was für ein niedliches Ding. Ali ließ ganz langsam, um nicht bedrohlich zu wirken, den Stock sinken, doch kaum hatte sie sich bewegt, fuhr das Kaninchen herum und verschwand unter den Bäumen. Wow! Wahrscheinlich gab es hinter ihrem Haus noch jede Menge anderer Tiere. Kaninchen, Waschbären, Rehe ... vielleicht sogar Füchse.
    Sie hatte ein paar Führer durch die Wildnis , verfaßt von einem gewissen Tom Brown Jr., in ihrem Zimmer und konnte es kaum erwarten, sie aus irgendeiner Kiste hervorzukramen und sich darin zu vertiefen. Es würde hier draußen ein großartiger Sommer werden.
    Zack! Zack! Sie hieb weiter auf die Löwenzahnblüten ein und folgte langsam der Straße hinter dem Haus, wobei sie sich fragte, wohin sie wohl führen mochte. Sie machte eine Biegung, hinter der Ali in etwa einer Dreiviertelmeile Entfernung einige Gebäude erkannte. Dahinter schien die Straße auf den Wald zuzulaufen, und Ali beschloß, bis zu den Häusern zu gehen und sie sich näher anzusehen. Sie würde nicht zu nahe herangehen - sie wollte ihren ersten Tag hier nicht damit beenden, daß ein verrückter alter Farmer sie beschimpfte, weil sie über sein Land ging -, aber trotzdem den Platz näher in Augenschein nehmen. Bitte, laß sie keine Kinder haben!
    Die Straße wurde unwegsam, als sie den Waldrand erreichte. Es schien, als ob sie früher einmal weitergeführt habe, doch jetzt war sie überwuchert, und nur ein Trampelpfad schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch. Vielleicht finde ich heraus, wohin er führt, dachte sie und wandte ihre Aufmerksamkeit den Gebäuden zu.
    Das Anwesen hatte viel Ähnlichkeit mit dem, das sie und ihre Mom jetzt bewohnten - ein renoviertes Farmhaus mit einer

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