Grünmantel
geworden.
Einen Moment lang überkam Howie eine leichte Panik, als die Scheinwerfer die zwei Gestalten anstrahlten, die auf der Motorhaube des Wagens vor ihnen miteinander rangen. Alle drei sahen, daß der Mann die Frau vergewaltigte, doch nur Howie dachte, es sei Earl.
»Laßt ...«, begann Howie. Laßt ihn, hatte er sagen wollen. Mischt euch nicht ein. Doch Lisa hatte schon auf die Bremse getreten. »Laßt ihn nicht entwischen!« sagte Howie.
Er riß die Tür auf, kaum daß der Wagen stand. Sherry schoß an ihm vorbei. Lisa lief schon auf die Einfahrt zu. Als Howie genauer hinsah, bemerkte er, daß sie etwas in der Hand hielt. Es sah aus wie ein Radschlüssel.
»Du Schwein! Du Hurensohn!« schrie sie.
Der Kerl hob den Kopf. Einen Moment lang dachte Howie, er wolle sich auf die Frauen stürzen, doch dann machte er kehrt und rannte auf einen Pick-up zu, der vor der Einfahrt geparkt war.
Die Frau, die er vergewaltigen wollte, rutschte von der Motorhaube. Lisa, die sich vor die Wahl gestellt sah, hinter dem Kerl herzulaufen oder die Frau aufzufangen, entschied sich für die zweite Möglichkeit. Sherry eilte zu ihr, um zu helfen. Howie tat ein paar Schritte auf den Pick-up zu, blieb aber stehen, als der Motor angelassen wurde. Er war unbewaffnet und konnte nur noch zusehen, wie der Truck über die Wiese schoß, im Schlamm kurz steckenblieb, aber dann doch freikam und die Straße hinunterjagte. Schließlich drehte er sich nach den Frauen um.
Das Opfer schien Schwierigkeiten mit dem Atmen zu haben. Wahrscheinlich hat er sie gewürgt, dachte Howie. Als er schließlich näher trat und ihr Gesicht erkannte, dämmerte es ihm, wer sie war - wen sie heute nacht gerettet hatten. Earls Ex! Mann, das war doch einfach zu komisch!
»Um Gottes willen«, wies Sherry ihn zurecht. »Starr die arme Frau doch nicht so an!«
Howie wandte rasch den Blick von ihren nackten Brüsten.
»Jetzt nicht sprechen«, sagte Lisa zu ihr. »Ganz ruhig. Wir haben ihn verjagt. Er kann Ihnen nichts mehr tun.« Sie sah zu Sherry hinüber. »Sollen wir sie ins Krankenhaus bringen?«
»Ich weiß nicht. Ist sie stark verletzt?«
»Ich ... mit mir ist alles in Ordnung«, stieß Frankie hervor. Sie versuchte, sich aufzurichten und sich mit der Bluse zu bedecken. Lisa half ihr.
»Sind Sie sicher?« fragte Sherry.
Frankie nickte langsam. »Ich lebe ... ich lebe dort drüben.« Sie zeigte auf das dunkle Haus.
»Kommen Sie, wir bringen Sie nach drinnen«, meinte Lisa. »Sollen wir jemanden rufen? Es scheint niemand zu Hause zu sein.«
»Meine Tochter ist beim Nachbarn ... weiter oben ... weiter oben an der Straße.«
»Wir bringen Sie zuerst hinein, und dann kümmern wir uns um Ihre Tochter«, entschied Sherry. »Wie alt ist sie?«
»Vierzehn.«
Sherry legte den Arm um die Hüfte der Frau, während Lisa sie auf der anderen Seite stützte. »Wir sollten Sie erst etwas in Ordnung bringen - ehe wir sie holen. Was meinen Sie dazu?«
Frankie nickte dankbar. Als Sherry sich nach Howie umdrehte, um ihn zu bitten, den Wagen auf die Straße zu fahren, sah sie ihn mit geneigtem Kopf in der Einfahrt stehen.
»Howie!«
»Hörst du das?« fragte er. »Kannst du es nicht hören?«
»Was soll ich hören ...?« Aber sie brauchte nicht mehr zu fragen. Sie alle hörten es nun. Es war eine leise, klagende Weise, die sie sicher überhört hätten, wenn Howie sie nicht darauf aufmerksam gemacht hätte.
Während sie ihr lauschte, kamen Frankie die Tränen, aber erstaunt stellte sie fest, daß sie nicht um ihrer selbst willen weinte, nicht deswegen, was ihr gerade widerfahren war. Sie weinte, weil die Musik so wunderschön war. Die leisen Flötentöne durchdrangen sie und warfen ein Licht auf die Schatten, die auf ihrer Seele lasteten.
»Was ist das?« fragte Lisa leise. Sie schaute Frankie an, sah ihre Tränen im Mondlicht glitzern, sah aber auch gleichzeitig das Lächeln auf Frankies Gesicht.
Als er die Musik hörte, wurde Howie nervös. Er fürchtete, der Hirsch könne sich zeigen, dachte wieder voller Grauen daran, wie er in seinem Traum am Morgen gejagt worden war. Aber dann hörte er genauer hin und merkte plötzlich, daß er für das Opfer des Vergewaltigers Sympathie und dem Mann gegenüber heißen Zorn empfand.
Für Howie wirklich eine merkwürdige Regung. Er hatte immer den Standpunkt vertreten, daß das, was zwischen einem Mann und einer Frau vorging, allein deren Sache war. Vielleicht ging’s dabei manchmal ’n bißchen rauher zu, aber, zum
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