Grundlagen Kreatives Schreiben (German Edition)
schwierigsten darzustellen sind. Doch die Mühe lohnt sich. Geruch und Geschmack sind Sinne, die lange zurückliegende Zeiten plötzlich wieder lebendig werden lassen können. Ein Hauch Koriander – und schon befindet man sich wieder in Großmutters Küche. Eine gelungene sinnliche Darstellung – und schon hat man die Leser mitten in die Geschichte hineingezogen.
Wie es funktioniert Sinneswahrnehmungen in Geschichten einzubauen
Theoretisch können wir lediglich sagen, ob etwas bitter, süß, sauer oder salzig ist, mehr geben unsere Geschmacksnerven nicht her. Aber damit kommen wir nicht weit.
Hier ein Beispiel für eine weit umfassendere Darstellung von Geschmack:
„ Er biss auf den Fischkopf, was im inneren Ohr ein Geräusch wie bei berstenden Kartoffelchips verursachte, Zunge und Gaumen allerdings entschieden vielgestaltigere taktile Reize bot: Auf die mit Marinade vollgesogene Bratkruste folgte hauchdünner Schädel, weiter vorn waren die kleinteiligen Kieferspangen zu spüren, dazwischen leberweiches Hirn, zartes Backen- und kräftigeres Brustfleisch. Im selben Moment füllte der Geschmack des Meeres Achims Mund. Nicht der tranige, mit Schweröl versetzte der sterbenden Nordsee, die man aus seinem Gedächtnis streichen musste, wenn man genussvoll Fisch essen wollte, sondern der an Salz, frisches Seegras und schäumende Gischt erinnernde eines fernen Ozeans, auf dem winzige Fischerboote aus Holz hin und her geworfen wurden wie Spielsteine von Riesen. Im Ausatmen verwandelte sich der Geschmack in Duft und füllte die Atemwege als stünde Achim an einem umtosten Kai. “
Christoph Peters: Mitsukos Restaurant
Zunächst fällt auf, dass der Autor eine Art Sinnesverschiebung einsetzt, indem er schildert, wie es sich anhört den Fisch zu essen („Geräusch wie bei berstenden Kartoffelchips“ und wie es sich anfühlt („leberweiches Hirn“ usw.).
Dann arbeitet er mit Assoziationen und drückt den Geschmack in Bildern aus („frisches Seegras und schäumende Gischt“ etc.). Diese Bilder sprechen wieder unsere anderen Sinne an, wir sehen die Fischerboote, riechen das Meer, hören das Tosen der Wellen am Kai …
Natürlich setzt er auch das Naheliegende ein, die deskriptiven Adjektive wie hauchdünn, kleinteilig, zart …
„ Der Duft war so ausnehmend zart und fein, dass er ihn nicht festhalten konnte, immer wieder entzog er sich der Wahrnehmung, wurde verdeckt vom Pulverdampf der Petarden, blockiert von den Ausdünstungen der Menschenmassen, zerstückelt und zerrieben von den tausend anderen Gerüchen der Stadt. Aber dann, plötzlich, war er wieder da, ein kleiner Fetzen nur, eine kurze Sekunde lang als herrliche Andeutung zu riechen … und verschwand alsbald. […]
Dieser Geruch hatte Frische; aber nicht die Frische der Limetten oder Pomeranzen, nicht die Frische von Myrrhe oder Zimtblatt oder Krauseminze oder Birken oder Kampfer oder Kiefernnadeln, nicht von Mairegen oder Frostwind oder von Quellwasser …, und er hatte zugleich Wärme; aber nicht wie Bergamotte, Zypresse oder Moschus, nicht wie Jasmin und Narzisse, nicht wie Rosenholz und nicht wie Iris … “
Patrick Süskind: Das Parfum
In diesem höchst bekannten Beispiel wechselt der Geruch quasi den Aggregatzustand und wird von etwas Gasförmigem zu etwas Festem, das man zerstückeln und zerreiben und das auch in Fetzen vorhanden sein kann.
Als Nächstes setzt der Autor eine Art Einkreisung ein, indem er lauter Dinge benennt, die fast so riechen wie dieser unbenennbare eine Geruch. Dabei benutzt er präzise Begriffe, also treffende Wörter, er könnte auch einfach von Kräutern, Obst, Blumen und Bäumen sprechen, zählt stattdessen jedoch Krauseminze, Limetten, Iris und Kiefernnadeln auf.
Eine weitere Möglichkeit Geruch und Geschmack darzustellen, besteht darin, die Reaktion einer Figur zu zeigen, also etwa Gier, Ekel oder das Einsetzen von Erinnerungen.
Wo man Geschmack und Geruch einsetzen kann
Interessant ist bei diesem Thema noch die Überlegung, wo man Geschmack und Geruch einsetzen kann. Essen und Trinken sind nicht die einzigen Gebiete für Geschmackswahrnehmungen; ob jemand bei einem Sturz eine Ladung Erde aufnimmt, sich vor Nervosität in den Jackenärmel beißt, an einem Hals knabbert – viele Einsatzgebiete sind denkbar.
Gerüche werden in den meisten literarischen Texten vernachlässigt. Kein Wunder, wenn uns im Alltag kein akutes stinkendes Problem begegnet, kann man den Eindruck haben,
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