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Grundwache

Grundwache

Titel: Grundwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurent Bach
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die Hand im Wasser, doch er zog sie mit einem Schmerzensschrei zurück.
    „Das Kalk reagiert mit dem Wasser, du Idiot!“, rief er und rieb sich die verätzten Finger. Alle wichen zurück, Vitali begann zu husten. Andrej und Wladimir hielten sich die Hand vor Mund und Nase, denn ein beißender Geruch lag in der ohnehin verseuchten Luft. Kolja sank erschöpft an die Wand zurück und senkte den Kopf.
    „Wir sind verloren!“ rief Andrej und setzte sich weiter entfernt ins Wasser auf einen Vorsprung. Seine weit aufgerissenen Augen lagen tief in ihren Höhlen, die Haut war fahl. Er faltete die Hände und murmelte: „Vater unser, der du bist im Himmel, er ist tot, Pjotr, geheiligt werde dein Name, Sergej ist tot, tot, dein Reich komme ....“
    „Er dreht durch“, flüsterte Alexej und betrachtete die nassen Haare des Mannes, dessen Oberkörper sich im Takt des Gebetes wiegte , während seine Beine im Wasser verschwunden waren.
    „Mir doch egal“, brummte Kolja und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich mache gar nichts mehr. Bin ja doch nur der Buhmann hier.“
    Wladimirs Husten wurde röchelnd, er bekam kaum noch Luft. Vitali schlug ihm auf den Rücken.
    „Wir haben keine Chance, nicht wahr?“ fragte Alexej.
    „Nein.“ Koljas Stimme zitterte.
    „Das Wasser steigt wieder schneller .“
    Jedermann beobachtete inzwischen Wladimir, er folgte ihren Blicken. Er schaute in Wladimirs weit aufgerissene Augen. Nie hatte er eine solch gespenstische Ausdruckslosigkeit gesehen und er begriff, dass Wladimirs Körper alle Funktionen abgeschaltet hatte und sich nur auf das Wesentliche konzentrierte: das Atmen. Er krümmte seinen Oberkörper, bis seine Nase fast im Wasser steckte. Selbst im Dämmerlicht war zu erkennen, dass sein Gesicht blau angelaufen war. Das Husten wirbelte Schaumkronen auf die Wasseroberfläche. Er spuckte aus, versuchte, Luft zu holen, packte sich an den Hals. Alexej ergriff ihn, wollte ihn umarmen, doch der hagere Mann schob ihn fort, er hustete und hustete, drehte sich um und brach zusammen. Dieses langsame Sterben war zuviel für Alexej. Er drehte sich mit dem Gesicht zur Wand und hielt sich die Ohren zu. Er wollte nicht hören, wie Wladimir versehentlich Wasser schluckte, gurgelnd ausspuckte und doch immer wieder aus Kraftlosigkeit unter die Oberfläche geriet. Er wollte nicht hören, wie Kolja auf ihn einredete. „Ganz ruhig, halt den Kopf hoch, durch die Lippen auspusten.“
    Doch die Geräusche durchdrangen seine Finger. Andrejs Gebet. Er war inzwischen bei einem Gebet zu einem Schutzengel angekommen und hatte Wladimirs Namen in seine Todesliste aufgenommen. Das gurgelnde Atmen und Husten, der gequälte Schrei und das Blubbern des Wassers. Alexej schloss die Augen, doch das Bild blieb: ein kraftloser Wladimir, der wie ein Fisch den Mund öffnete und schloss, bis er schließlich mit offenen Augen reglos unter Wasser lag. Minutenlang stand er so da, die Hände gegen die Ohren gepresst, obwohl die Arme immer schwerer wurden, die Augen geschlossen. Er sperrte die Umgebung aus, hing seinen Gedanken nach. Das Sterben um ihn herum empfand er als schrecklich und sein eigener Todeskampf stand ihm unmittelbar bevor als ein Hindernis, das unüberwindlich schien. Doch inzwischen freute er sich fast auf die nächste Welt. Wenn er sie doch nur ohne Schmerz und Leid erreichen könnte. Was würde er demnächst erleben? Ob er seine alte Welt sehen konnte? Es gab doch eine Seele, all seine Gedanken, sein Empfinden, all das musste doch einfach woanders weiterleben. Er konnte nicht einfach - weg sein. Da spürte er, wie das Wasser an seiner Hüfte angekommen war, und gab sich einen Ruck. Noch war es nicht vorbei. Er musste da hindurch, es half nichts. Er schaute in den schwankenden Lichtkegel. Das Gebet war verstummt. Sie waren nur noch zu Dritt. Andrej war auf dem Boden sitzengeblieben und einfach ertrunken, er konnte Schulter und Kopf sehen, die auf dem Wasser trieben. Wladimirs Körper war auf den Boden gesunken, zu den anderen.
    „Ich glaube, es wird Zeit für ein Geständnis, Vitali“, sagte er und schaute seinen Freund an. Dieser bewegte sich schwerfällig durch das Wasser, obwohl nur ein Schritt sie trennte. Vitali nahm ihn in den Arm, küsste seine kalten Lippen und legte den Kopf an seine Schulter. Kolja verdrehte die Augen, wandte sich ab und tat so, als hätte er nichts Eiligeres zu tun, als die Dichtigkeit des Schotts zu prüfen.
    „Kennst du Schamil Bassajew?“, fragte Vitali leise.
    „Den

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