Grundwache
Terrorist ?“ Alexej schrak zusammen. „Den Terrorist, der letzten Oktober diese Geiselnahme im Moskauer Theater beauftragt hat?“
„Genau den.“ Vitali nickte und fuhr fort:
„Ich komme aus Dagestan, aus dem Grenzgebiet zu Tschetschenien. Wir waren arm, wie alle dort. Immer machtlos, immer verwaltet von euch.“
„Euch? Was soll das heißen? Ich sitze ja nicht im Kreml!“, ereiferte sich Alexej und bemerkte, wie Kolja seine Ohren spitzte.
„Du bist ein Terrorist“, flüsterte Alexej wieder, fassungslos und perplex. Tschetschenien mit seinen Kämpfen war doch so weit entfernt. Was hatte er damit zu tun? Doch nun verstand er die Andeutungen Vitalis und auch die Schnelligkeit und Kraft, mit der er Kolja überwältigt hatte. Vitali war in den Kampf hineingeboren worden.
„Ja. Ich war in einer Gruppe, die Bassajew mal angeführt hatte. Wir werden es dem Kreml zeigen. Wir werden beweisen, dass man nicht einfach auf den Leichen von Frauen und Kindern regieren kann.“
„Vielen Dank. Unsere Leichen sind dir wohl egal, was?“
Da senkte Vitali den Kopf. „Es tut mir leid für dich. Du bist ein netter Kerl. Wie die meisten hier. Ich musste euch opfern.“
Eine Weile schaute Alexej seinen Freund an, dann lachte er bitter auf: „Wir werden vielleicht ein Staatsbegräbnis erhalten. Das ist wirklich klasse, Vitali. Ich bin dir zu Dank verpflichtet. Aber weißt du was? Eure Sache geht doch allen am Arsch vorbei. Ihr seid diejenigen, die keine Chancen haben.“
„Das werden wir ändern. Hier und jetzt habe ich es schon geändert.“
Alexej winkte ab. „Geschenkt.“ Nichts war wichtig, er hatte kein Ziel, keine Zukunft, nur den Tod.
Vitali bemühte sich eifrig, seine Beweggründe darzulegen. „Glaubst du nicht, dass diese Sache alle aufrütteln wird? Man wird von uns sprechen, man wird Angst haben vor uns, wenn wir sogar die mächtige U-Boot-Flotte unterwandern können.“
„Mächtig? Abgewrackt und verschrottet werden die U-Boote. Das weißt du doch. Ist nicht mehr weit her mit unserer Flotte. Ein tolles Ziel hast du dir ausgesucht.“
Vitali rang seine Hände. „Du willst nicht verstehen, was?“
Alexej baute sich vor ihm auf. „Zu spät. Gestern hättest du mich vielleicht überzeugen können. Heute nicht mehr, mein Freund.“
Kolja ließ seine Stimme hören. „Mein Freund, mein Freund. Wollt ihr zwei noch weiterturteln oder wollt ihr einen letzten Fick veranstalten?“
„Halt dich da raus, Kolja.“
Der Bootsmann gestikulierte drohend. „Du Wichser, wir haben die Scheiße also dir zu verdanken! Wie hast du es gemacht?“
Vitali reckte sich stolz, wofür Alexej nur ein Kopfschütteln übrig hatte.
„Ich habe den Raketenantrieb eines Torpedos so manipuliert, dass er bei der Übung hochgehen musste. Das war die erste Explosion.“
Kolja biss sich auf die Lippen. „Der Motor ist heißgelaufen und die Wasserstoffperoxid-Leitung hat geleckt.“
Vitali nickte. „Knallgas im ganzen Boot. Ein probates Mittel.“
Da verdrängte Kolja das Wasser und kämpfte sich behäbig zu Vitali durch. Die Anstrengung ließ ihn husten. Auch Alexej hatte den Eindruck, dass seine Lunge immer schwerer wurde und gleichzeitig so aufgeblasen war, dass sie seine Brust fast sprengte. Er keuchte und rührte sich nicht vom Fleck. Vitali, der Terrorist, konnte sich selbst helfen.
„Ich werde dir deinen Schwanz in den Mund stopfen, zu Arschloch!“, brüllte er. „Ich habe eine Frau und zwei Kinder!“
„Sie werden dich als Helden verehren und nicht als versoffenen, abgemusterten Bootsmann erleben!“, rief Vitali und ballte die Fäuste. Kolja blieb plötzlich vor Vitalis blitzenden Augen stehen, schaute ihn abwägend an und nickte.
„Schon verstanden. Du willst, dass ich dich umbringe, damit du nicht hier verrecken musst. Den Gefallen tu ich dir nicht. Verrecke wie Wladimir, du Schwuchtel! Verreckt doch alle beide.“
Er kehrte auf seinen Platz am Schott zurück, nahm seine übliche Haltung mit verschränkten Armen wieder ein und schloss die Augen. Alexej hatte den Eindruck, als wäre der Seemann des Kämpfens müde. Sein Groll kümmerte ihn nicht. Es war so, wie es war. Das Wasser stand ihnen bis zur Brust.
Einige Minuten vergingen. Niemand von ihnen sprach, das Geständnis war vorüber. Vitali stand in seiner Ecke, er wirkte beleidigt und verwirrt und schenkte Alexej immer wieder einen um Verständnis bittenden Blick. Sein Husten wurde stärker und belastete ihn immer mehr, das sah er seinem blassen
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