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Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)

Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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Schwester, Marlene. Diejenige, die Schokolade mochte. Roby warf einen Blick auf den Gugelhupf und sah den gelben Wirbel, der in dem zerbröckelnden braunen Kuchenstück zu sehen war. Marlene war im Umgang mit Messern nicht besonders geschickt.
    »Ich sollte besser gehen«, sagte Anna Beth zu Roby. »Es ist wirklich nett von Ihnen, dass Sie sich um die Sachen hier kümmern. Die meisten Männer würden es als Frauenangelegenheit abtun.«
    »Ich bin nicht wie die meisten Männer«, antwortete er. »Und es ist das Mindeste, was ich tun kann.«
    »Nun, in Ihren Adern fließt das starrköpfige Ridgehorn-Blut. Genau wie in meinen. Wahrscheinlich bin ich Daddy ähnlicher, als ich es jemals zugeben möchte.«
    Sie hob die Hand zum Abschied und verließ die Küche.
    Roby blickte den Süßkartoffelkuchen an. Wenn nur jemand den Mut hätte, Beverly Parsons das mit der Melasse zu sagen. Vielleicht war es eine alte Tradition in den Appalachen. Er hatte allerdings noch nie davon gehört, obwohl er sich gut mit Traditionen auskannte. Er vergewisserte sich, dass der Deckel auf der Schale mit dem Krautsalat fest verschlossen war und stellte sie in den Kühlschrank, bevor die Mayonnaise schlecht wurde.
    Diese Anna Beth war ein ziemlich albernes Mädchen dafür, dass sie schon fast zwanzig war. Sie war überhaupt nicht wie ihr Vater. Zum Beispiel atmete sie noch. Und sie und Roby verband nichts außer diesem Haus und diesem Leichenschmaus und dieser gewaltigen Ehrung durch eine Unmenge von Speisen. Mit Sicherheit verband sie beide kein Ridgehorn-Blut.
    Roby zog ein Messer aus der Tasche, schnitt ein kleines Stück von Beverly Parsons’ Kuchen ab und schob es in seinen Mund. Genauso vorzüglich wie ihre anderen Todeskuchen, trotz der Melasse.
    Er schluckte den Kuchen hinunter, wischte sich die Hände ab, räumte die Klarsichtfolie auf und ging in das Wohnzimmer, um sich die Geschichten aus dem ehrwürdigen und gottesfürchtigen Leben des verstorbenen Jacob Davis Ridgehorn anzuhören. Aus jedem Sünder wurde ein Heiliger, zumindest für die drei Tage zwischen seinem Ableben und der Beerdigung. Und trotzdem verrottete jeder Heilige auf die gleiche Weise.
    Von innen heraus.
    Vom Herzen aus.
    Roby würde den Trost anbieten, den er spenden konnte. Er wusste, dass es Schlimmeres gab, als einen geliebten Menschen zu verlieren, und es gab Schlimmeres, als zu sterben. Dieses Wissen ließ ihn noch einmal schlucken. Der Bissen Kuchen sank in ihm herab wie ein Stein.

 
     
    II.
    Die Witwe Ridgehorn saß steif neben dem Fernseher. Es war ein großes kastenförmiges RCA-Modell, ein Relikt aus der Zeit der Elektronenröhren. Auf dem Gerät lag eine feine Staubschicht wie schlaffe Haut. Die Fotografie des Verstorbenen streckte sich auf dem Fernseher nach hinten, umrahmt von einem rostigen goldenen Rechteck. Jacobs Zelluloidaugen waren hart und düster, das Gesicht ernst, so als ob der Bestatter sein Handwerk zwanzig Jahre zu früh verrichtet hätte.
    Roby setzte sich auf der anderen Seite des Zimmers aufs Sofa, wo Alfred zur Seite gerückt war. Die höfliche Geste Alfreds schaffte nicht nur Platz für Roby, sondern brachte Alfred näher an Cindy, die Tochter der berühmten Kuchenbäckerin. Alfreds Augen wirkten den Umständen entsprechend gequält und waren mit dunklem Lavendelblau umrandet. Doch irgendwie vermittelten die Furchen auf seiner Stirn den Eindruck, dass er sich nicht ganz klar über seine Gefühle war.
    Die Witwe putzte sich mit einem ausgefransten Taschentuch die Nase. »Nicht gerade der beste Zeitpunkt, aber vermutlich gibt es keinen guten Zeitpunkt, dem Schöpfer gegenüberzutreten«, sagte sie. »Wen der Herr ruft, und so weiter.«
    »Die Späternte steht ins Haus«, sagte Alfred. »Zuerst der Mais. Daddy schien sich immer so wohl zu fühlen auf dem Sitz des Massey Ferguson, den Hut bis zu den Ohren runtergezogen.«
    »Was wird aus dem Traktor?«, fragte Marlene. Sie hatte die Aufgabe übernommen, Dinge zu klären, Vorkehrungen zu treffen und sich um die praktischen Angelegenheiten zu kümmern. »Willst du ihn verkaufen, Mom?«
    Die Witwe schaute die Fotografie auf dem Fernseher an, als ob sie Rat suchte. »Darüber hab ich mir noch keine Gedanken gemacht.«
    Sarah, die mittlere Schwester, erhob sich mit einem Rascheln ihres gemusterten Kleides, eines ärmellosen Konfektionsstücks aus Viskose, das sie bei Rose’s Discount gekauft hatte. Eigentlich war es ein Frühlingskleid und mit seinen Farben – hellblau, gelb und rosa –

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