Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)
schmutzigen Socken auf den Kamin und starrte ins Feuer.
Das Glas war eine ebenso heilige Reliquie wie Jacobs Angelrute und sein Taschenmesser. Viel heiliger als sein Traktor. Man zog nicht einfach los und beleidigte einen Toten, indem man seine persönlichsten weltlichen Besitztümer missbrauchte. Roby schrieb den Vorfall dem Umstand zu, dass die Witwe völlig neben sich stand.
»Ich hol frisches Wasser aus der Küche«, sagte Anna Beth und nahm das Glas aus der zitternden Hand ihrer Mutter.
»Ich helfe Ihnen«, sagte Roby und ging nach ihr aus dem Zimmer. Hinter seinem Rücken fragte Buck Alfred nach dem Zustand der Traktorreifen.
Der geronnene Obstsalat hatte einen geisterhaften Farbton angenommen. Die Pfirsichstücke schwammen in der roten Götterspeise mit Schlagsahne. Rot war die richtige Wahl für die Gelatine bei einem Todesfall. Da kannte sich jemand aus. Roby würde im Kondolenzbuch auf dem Pult nachsehen müssen, wer für diese spezielle Gabe verantwortlich war. Solche kleinen Zeichen halfen beim Umgang mit der Trauer viel besser als die Worte eines Predigers.
Anna Beth stellte das Zahnprothesen-Glas auf dem Kühlschrank ab. Ein Schleier aus Klebstoff und weißen Partikeln hatte sich auf dem Boden des Glases abgesetzt. Barnaby hatte die Zahnprothese zusammen mit der Leiche mitgenommen. Die falschen Zähne würden wieder in Jacobs Mund eingefügt werden, damit er bei der Aufbahrung nicht eingefallen wirkte. Wenn sich Barnaby mit gewohnter Sorgfalt den Details widmete, würde Jacob dort gesünder und munterer aussehen als in den letzten Jahrzehnten.
Aber die Aufbahrung war erst morgen. Erst einmal musste dieser Leichenschmaus über die Bühne gebracht werden.
Anna Beth stand an der Spüle und war mit einer angeschlagenen Kaffeetasse beschäftigt, als ihr die Tränen kamen. Das erste Anzeichen war das Zittern ihrer Schultern, dann neigte sich ihr Kopf und Roby betrachtete ihr Spiegelbild im Fenster hinter der Spüle. Das Haar hing ihr ins Gesicht, wirre Strähnen zu beiden Seiten des Wasserhahns. Roby ging zu ihr, berührte ihren Rücken unterhalb des Nackens, rieb sanft.
»Hier, ich übernehm das«, sagte er und nahm die Tasse.
»Ich sollte mich besser zusammenreißen.«
»Nur mit der Ruhe.« Er spritzte etwas Spülmittel in die Tasse, ließ Wasser hineinlaufen und fuhr mit seinem Zeigefinger die Umrisse des Flecks am Boden der Tasse nach. »Man hat nur einen Vater, und der stirbt nur einmal. Also tun Sie, was immer Sie denken tun zu müssen.«
Sie wischte sich die Augen, dann trocknete sie sich die Hände an einem Geschirrtuch ab, das an einem Schrankgriff hing. »Ich denke, ich sollte etwas essen.«
»Kosten Sie den Kuchen«, sagte er. »Beverly Parsons hat ihn gemacht.«
»Kann schon sein. Wissen Sie, was komisch ist?«
»Was?«
»Ich kann nichts schmecken. Nicht seitdem ...«
»Ist nichts Ungewöhnliches.« Er spülte die Tasse aus und füllte sie mit Wasser. Frisches Quellwasser, aus einer Felsspalte in den Bergen. Roby hatte sie mit der Wünschelrute gefunden – nicht dass man in dieser Gegend auf Rutengänger angewiesen wäre, um Wasser zu finden. Aber Roby hatte ein Talent für das Rutengehen und konnte seine Wünschelrute bei Wasser, kostbaren Metallen oder sogar verborgenen Knochen ausschlagen lassen.
Er gab Anna Beth ein Messer, mit dem Griff zuerst, damit sie sich nicht schneiden konnte. Sie schnitt ein Stückchen vom Süßkartoffelkuchen ab und schob es mit dem Messer in den Mund. Dann zog sie die Plastikfolie wieder über den Kuchen. Roby runzelte die Stirn. Die Folie warf Falten.
»Bringen Sie das Ihrer Mutter«, sagte er.
Sie leckte das Messer ab und legte es auf die Anrichte, dann nahm sie die Tasse mit beiden Händen. »Guter Kuchen.«
Ein Gute-Fahrt-Kuchen , hätte Roby fast laut gesagt.
Sie verließ die Küche und Roby war wieder allein mit den Essensbergen. Gefüllte Eier, die seit mindestens zwei Stunden offen herumstanden. Das Paprikapulver war zu einem rostigen Fleck im Gelb verschwommen. Ein sicheres Zeichen. Die Eier waren schlecht geworden. Und sie hatten nur vier von zwölf gegessen.
Roby tippte mit einem Finger in das breiige Gelb in einem der verbleibenden Eier. Er roch an seinem Finger. Ganz sicher verdorben. Aber vielleicht konnte er Buck dazu bringen, ein paar davon zu essen, damit er endlich aufhörte, von dem Traktor zu quatschen. Wenn Buck sich später die Eingeweide auskotzte, ging das in Ordnung.
Der Kuchen rief wieder nach Roby, fast schon mit
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