Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)
ungeeignet für Anfang September. Roby tat die Familie leid. In dieser Gegend konnten es sich die Leute nicht leisten, sich komplett neue schwarze Trauerkleidung zuzulegen, die nur für kurze Zeit getragen wurde. Sie trauerten im Besten, das sie hatten. Warum nur war das niemals gut genug?
Er vermutete, dass es letztendlich nur darauf ankam, was man in seinem Herzen fühlte.
»Lasst uns jetzt nicht über sowas nachdenken«, sagte Sarah. »Es ist wie Grabraub, wenn wir anfangen, die Sachen zu verteilen, bevor Daddy überhaupt beerdigt ist.«
Buck, ihr Ehemann, nickte zustimmend. Buck besaß zwanzig Morgen Land auf der anderen Seite von Elk Knob, von denen vier für den Ackerbau gerodet worden waren. Er konnte einen Traktor gebrauchen. Bislang hatte er sich mit einer handgeführten Bodenfräse herumgeschlagen, die Art, die gegen einen rebellierte, wenn die Fräsmesser auf einen Stein trafen.
Buck hatte sich bei Roby erkundigt, wie man in den Besitz einer Tabakzuteilung kam. Doch Roby wusste darüber nur, dass die Regierung ihre Finger im Spiel hatte, einem sagte, wie viel man anbauen durfte und wie viel nicht, und dass die Zuteilung weitervererbt werden konnte. Es handelte sich um die gleiche Regierung, die die Tabakkonzerne auf Millionensummen verklagt hatte. Zum Teufel, wenn Roby mit so einem Schwachsinn etwas zu tun haben wollte, das hatte er auch Buck gesagt.
»Das Testament wird bestimmt darüber Auskunft geben«, sagte Alfred. »Wer was bekommt und so.«
»Wenn es einen nicht stört, dass sich ein Anwalt eine große Scheibe davon abschneidet«, sagte Marlene.
Die Luft im Zimmer war von Schweißgeruch und billigem Parfüm durchdrungen. Marlenes blondes Haar klebte in feuchten Strähnen in ihrem Nacken. Sie war von Natur aus blond, am ganzen Körper, wie Roby gehört hatte. Sie wich seinem Blick aus, als ob sie sein geheimes Wissen irgendwie spürte.
»Nun, die ganze Beerdigungsangelegenheit muss irgendwie bezahlt werden«, sagte die Witwe, während sie ihre ledrigen Hände rang.
»Ich wette, wir zahlen einen Hunderter Miete für das Ding da.« Alfred deutete auf das Pult aus Ahornholz, das neben der Zimmertür stand. Es hatte eine Messinglampe und auf der Schräge lag ein Kondolenzbuch mit dickem, cremefarbigem Papier. Die Gäste hatten ihre Namen eingetragen, zur Erinnerung. Als ob das eine Zeit wäre, an die man sich irgendwann in der Zukunft erinnern wollte, um gemeinsam zu lachen und Was-wäre-gewesen-wenn zu spielen.
Auch Roby hatte seinen Namen eingetragen, mit seiner schwungvoll wirbelnden Todeshand. Er hatte sich eine schmuckvolle Unterschrift zugelegt, die er bei solchen Gelegenheiten immer verwendete. Fast hätte er »leckerer Kuchen« hinter seinen Namen geschrieben, aber er kannte die Witwe nicht gut genug. Er dachte an all die einsamen Nächte, die auf sie warteten, mit einem leeren Platz im Bett neben ihr, wo Jacob Davis Ridgehorns Körper im Laufe der Jahre eine Mulde in die Matratze gelegen hatte.
Er kannte sich aus mit der Einsamkeit. Während man am Leben war, musste man sein Herz jemandem schenken. Wenn man starb, ließ man nur die Liebe zurück, die man glaubte geschenkt zu haben. Und nach dem Tod war das alles, was man zurückbekam.
Roby hatte niemanden, keine Familie. Abgesehen von diesen Ridgehorns für die nächsten paar Tage. Und er wollte erreichen, dass sie zu schätzen wussten, was sie verloren hatten – und was sie gewinnen würden. »Also, Ihr Vater verdient nur das Beste. Deshalb sollten Sie bei den organisatorischen Fragen nicht sparen.«
»Es gibt nicht viel Geld«, sagte Sarah. »Daddy hat so ziemlich sein ganzes Leben von der Hand in den Mund gearbeitet.«
»Wir werden das schon hinkriegen.« Er nickte der Witwe zu. »Ich werde Ihnen mit dem Papierkram helfen, gnä’ Frau. Und ich kenne den alten Barnaby wirklich gut. Ich werde dafür sorgen, dass er Ihnen einen fairen Preis macht.«
Barnaby Clawson war vierzig Jahre lang der einzige Bestatter in der Gegend gewesen, bis vor fünf Jahren eine Unternehmenskette vor Ort eine Filiale eröffnet hatte. Aber die Ortsansässigen wandten sich noch immer an Clawson. Sie waren eben treu. Im Einklang mit der Tradition von Leichenbestattern auf der ganzen Welt war es ihm gelungen, eine Frau zu finden, die nichts gegen Hände hatte, welche die Toten liebkosten. Sie bekamen zwei Söhne, bevor sie entschied, dass sie den Geruch von Formaldehyd nicht länger ertragen konnte. Sie zog nach Kalifornien, einige behaupteten mit einem
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