Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)
tötet man einen Geist? Dad hat ihn erschossen, aber ich weiß, dass er zurückkommen wird.«
Ronnie hatte sich selbst schon die gleiche Frage gestellt. Warum wollte ein Geist Menschen umbringen? Das ergab keinen Sinn. Wenn der Geist verrückt wäre, dann vielleicht, aber ein einfacher, gewöhnlicher Geist?
Was auch immer los war, die rote Kirche hatte Schuld. Er hatte Bücher über Geistererscheinungen gelesen. Angeblich konnten in den Wänden »übersinnliche Abdrücke« zurückbleiben, wenn eine Person großer Aufregung ausgesetzt war. Ronnies Meinung nach war das irgendwie dämlich, aber das Glockenmonster war real. Was, wenn es sich beim Glockenmonster um den Geist des Predigers handelte, der dort gehängt worden war? Bestimmt würde das Gefühl eines Stricks um den Hals für große Aufregung sorgen.
Aber dann würde alles, was jemals starb, einen Geist hinterlassen. Denn welches Lebewesen hatte im Laufe seines Lebens keine Aufregung gehabt? Eine Menge Kühe waren hier in der Mitte der Scheune mit einem Schuss ins Gehirn getötet worden, dann wurden sie in Teile geschnitten und ihre Innereien mit einer Schubkarre weggekarrt. Aber man sah hier nirgendwo Geisterkühe herumhängen.
Vielleicht wollte Gott die Seele des Predigers in den Himmel holen, hatte aber auf halbem Weg beschlossen, dass der Prediger zu böse war, um ins Paradies einziehen zu dürfen. Vielleicht wollte der Teufel den Prediger ebenso wenig, weil der Prediger zu viele Bibelverse kannte und sie den anderen Leuten in der Hölle aufsagen würde. Vielleicht würde der Prediger versuchen, Leute zu retten, die bereits zum ewigen Höllenfeuer verurteilt worden waren. Der Teufel würde auf keinen Fall zulassen, dass so etwas passierte. Und deshalb war der Prediger in der Mitte stecken geblieben und er tötete Menschen, weil er einsam war und sich ein paar Geister als Gesellschaft wünschte.
Das war bekloppt. Er dachte wie ein Drittklässler.
»Man muss einen Geist nicht töten«, verkündete Ronnie schließlich. »Er ist schon tot. Das Problem ist, dafür zu sorgen, dass er tot bleibt .«
»Und wie macht man das?«
»Indem man ihm gibt, was er will.«
Sie blickten sich gegenseitig an. »Was er will, ist uns töten«, sagte Tim.
»Ja.« Ronnie seufzte. »Ein richtiger Tritt in den Hintern.«
»Ich will nicht sterben.«
Ronnie wollte das auch nicht – egal wie oft ihm Prediger Staymore zu erklären versucht hatte, dass Gott einen besonderen Platz für Kinder hatte. Der Prediger hatte ihn auch mit dem Umstand bekannt gemacht, dass man Sünden des Herzens begehen konnte. Es war schon schlimm genug gewesen, dass man einer bösen Tat wegen aus dem großen goldenen Buch gestrichen wurde. Nun hatte er gelernt, dass ihn schon das Denken an Böses in die Hölle bringen würde.
Er hatte Jesus alle paar Wochen gebeten, in sein Herz einzuziehen, genau wie es Prediger Staymore wünschte. Wie lange blieb das Herz rein, nachdem Jesus es von den Sünden gereinigt hatte? Was passierte, wenn man starb, während man einen bösen Gedanken hatte, und es keine Zeit mehr gab, um Vergebung zu bitten? Die ganze Angelegenheit war aus Ronnies Sicht ziemlich riskant.
Und er hatte keine Eile damit, sich endgültige Gewissheit darüber zu verschaffen.
»Du wirst nicht sterben, Tim«, versprach Ronnie in der Hoffnung, dass er überzeugender klang, als er sich fühlte. Er wollte gerade noch etwas sagen, als der Schuss ertönte.
Das Holiday Inn lag an der einzigen zweispurigen Autobahn durch Pickett County, gleich neben der Ausfahrt Barkersville. Sheila Storie fuhr auf den Parkplatz. Er war fast völlig leer. Touristen waren rar zwischen der Skisaison und dem Sommer, wenn Leute aus Florida kamen, um der Hitze dort zu entfliehen, und New Yorker, um New York zu entkommen.
Archer McFalls Zimmer befand sich im Erdgeschoss, gleich hinter dem leeren Swimmingpool des Motels. Sein schwarzer Mercedes war vor 107 geparkt. Storie stellte ihren Streifenwagen daneben ab und stieg aus. Sie sah auf die Uhr und fragte sich, wie wohl der Sheriff vorankommen mochte. Dann warf sie einen Blick durch das Seitenfenster auf der Fahrerseite des Mercedes. Der Innenraum war tadellos. Sie klopfte an die Tür von 107.
Ein großer Mann antwortete auf ihr Klopfen. Er war attraktiv, sah aber auch aalglatt aus, so wie ein Anwalt in einer Fernsehserie. Er hatte ausgeprägte Wangenknochen und ein breites Gesicht, das frisch rasiert war. Er lächelte sie an.
»Archer McFall?«, fragte sie.
»Ja,
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