Gucci, Glamour Und Champagner
er einen Schnurrbart. Sie hatten alle kurzärmelige Hemden und Schnurrbärte.
Irgendwo in meinem Gehirn versuchte eine Stimme mir von all den Kleiderläden und Schuh- und Wäschegeschäften zu erzählen, in denen ich auf meinen Rechercheexkursionen würde einkaufen können, aber jedes Mal, wenn ich meine Augen schloss, sah ich nur mein löwenzahngelbes 3.1-Phillip-Lim-Sommerkleid in die Luft fliegen und sich in Millionen kleine Teilchen auflösen, während mehrere französische Sicherheitsleute mit Käppis danebenstanden und schallend lachten. Militärkäppis. Und das Lanvin. Du liebe Güte, das Lanvin. Meine fieberhafte Einbildung zog es vor, den Koffer in Frankreich in die Luft sprengen zu lassen.
Nach der letzten Textnachricht, die ich von Alex erhalten hatte, befand er sich offenbar um sieben Uhr in einem Café Charbon, wo ich ihn treffen sollte. Es war viel zu spät, um erst noch ins Hotel zu fahren, und was hätte ich außerdem zum Umziehen gehabt? Das hier war nicht Projekt Laufsteg, denn ich konnte wohl schlecht aus den Seiten der US Weekly und einer Lancôme-Tube einen Pariser Abendlook kreieren.
Ich versuchte mich dem Fahrer verständlich zu machen, musste ihm aber Alex’ SMS zeigen, damit er wusste, wo er mich hinbringen sollte. Grunzend raste er durch winzige Gässchen mit Kopfsteinpflaster, gesäumt von winzigen Tischen und noch winzigeren Mädchen, alle mit außergewöhnlich langen Haaren und Schmolllippen in ihren Unglücksmienen. Vive la France .
Schließlich hielt das Taxi an, und der Fahrer drehte sich zu mir um. Obwohl ich wusste, dass ich kein schöner Anblick war, hielt ich seinem Blick stand. Hatte er etwa gerade alles verloren, was glänzend, hübsch und schön war? Nein. Nein, hatte er nicht. So unhöflich, wie ich konnte, zog ich eine Handvoll Euros heraus und reichte sie ihm auf, wie ich hoffte, blasierte Weise. Gleich darauf machte ich diese Wirkung allerdings wieder zunichte, indem ich mich linkisch bei ihm bedankte und ihm zu verstehen gab, dass er das Wechselgeld behalten konnte.
Um nicht in meiner aufgelösten Verfassung vor Alex zu treten, blieb ich vor einem Café mit prächtiger Glasfront stehen und atmete tief und langsam durch. Mehrere Dutzend Leute standen rauchend und lachend draußen, und sie sahen alle gut aus. Ganz ehrlich, in Jennys paillettenbesticktem Balmain-Kleid wäre ich overdressed gewesen, aber deshalb fühlte ich mich in meinen Reiseklamotten nicht weniger beschissen. Meinen nunmehr einzigen Klamotten. Sämtliche Mädchen trugen so enge Bluejeans, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie alle die dunkeläugigen, dunkelhaarigen Jungs, die sie beäugten und ihnen mit Sicherheit an die Wäsche wollten, dies rein praktisch bewerkstelligen sollten. Wie um Himmels willen kamen sie ohne Spezialwerkzeug in diese Röhren hinein und wieder heraus? Sie standen da und nickten und gestikulierten mit ihren Zigaretten, und mir fiel auf, dass sie alle perfekt zerzauste Frisuren hatten, als kämen sie gerade aus dem Bett, im Unterschied zu mir und meiner krausen, plattgedrückten Frisur, und statt mascarafleckiger Wangen und dunkler Ringe, die hastig mit zu viel Touche Éclat zugekleistert waren, sah jede Einzelne von ihnen aus, als würde sie auf jegliches Make-up verzichten und ihrer natürlichen Schönheit vertrauen. Biester. Und sie führten mir nur allzu deutlich vor Augen, dass ich nicht mal im Rotweintrinken mithalten konnte, einfach weil ich unfähig war, auch nur ein einziges Glas zu trinken, ohne mich damit zu bekleckern. Oder jemanden in meiner unmittelbaren Nähe. Es gab demnach überhaupt keine Chance, für ein französisches Mädchen gehalten zu werden. Vielleicht für einen heimatlosen sechzehnjährigen französischen Jungen, aber für eine dieser hochnäsigen Sexbomben? Eher nicht. Autsch.
Schließlich stieß ich einen tiefen Seufzer aus, schob mich durch die Menge und betrat das Café. Alex entdeckte ich fast auf Anhieb. Selbst in einem Meer dürrer, dunkelhaariger Jungs, die sich nickend übers Kinn strichen, sprang er mir als Erstes ins Auge. Leider war das Zweite, was ich sah, ein unglaublich hübsches blondes Mädchen, das auf seinem Schoß saß, seine Arme um seinen Hals geschlungen hatte und sich vor Lachen nicht mehr einkriegte. Und als Drittes sah ich dann das Innere meiner Augenlider, weil ich nämlich in Ohnmacht fiel.
Fünf
»Jesus, Angela. Ist alles OK mit dir?«
»Ja, schlaf weiter«, murmelte ich und schob die vertraute Stimme von mir weg.
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