Gucci, Glamour Und Champagner
reizend«, sagte sie, schnallte sich wieder an und kuschelte sich in Daves Arm, der sie beschützend umschloss. »Wer weiß, vielleicht hält er um Ihre Hand an.«
Es war wirklich eine spontane Reaktion. Denn ich hatte nicht die Absicht, meinen die Mascarabürste haltenden Arm ins Gesicht meines Bibel lesenden Sitznachbarn zu schlagen. Und schon gar nicht hatte ich vor, dafür zu sorgen, dass er sich seinen brühheißen Kaffee über die Hose schüttete.
»Heilige Maria Muttergottes!«
Upps. Und dabei war es mir so gut gelungen, lange Zeit niemanden zu beleidigen oder zu verstümmeln. Aber ich hatte genug Folgen von Friends gesehen, um zu wissen, dass das Hantieren mit Servietten an seinem Schritt nicht helfen würde, also murmelte ich bloß meine Entschuldigungen, lehnte mich in meinem Sitz zurück und schloss meine Augen. Wenn dies das Schlimmste war, was mir auf dem weiten Weg bis nach Paris passierte, dann konnte ich mich sehr glücklich schätzen.
»Was meinen Sie damit, man habe mein Gepäck ›zerstören‹ müssen?«
Ich stand an der Gepäckausgabe des Charles-de-Gaulle-Flughafens und ließ mir von einem unglaublich gelangweilt dreinblickenden Beamtentypen zum vierten Mal erklären, was passiert war.
» Madame Clark, wie ich bereits erklärt habe«, seufzte er, »Ihr Koffer hat unser Sicherheitsscreening nicht bestanden und musste zerstört werden. Das hätte man Ihnen bereits am JFK mitteilen müssen. Sie hätten eigentlich gar nicht reisen dürfen.«
»Und Sie sagen zerstört.« Ich rieb mir die Schläfen und blinzelte ein paar Mal in der Hoffnung, dass ich dann aufwachte. »Außerdem bitte Mademoiselle .«
» Pardon, Mademoiselle . Zerstört. Er existiert nicht mehr.«
Ich durchwühlte meine abgewetzte Handtasche und überprüfte, was ich bei mir hatte. Sonnenbrille, Lippenbalsam, zwei Lippenstifte, Telefon, Brieftasche, Pass, Laptop, US Weekly . Nun, wenigstens mangelte es mir nicht an erzieherisch wertvollem Lesestoff. Gott sei Dank.
»Aber warum?« Ich konnte hören, dass meine Stimme gleich brechen würde. Offensichtlich dämmerte mir langsam, was da geschehen war. »Wieso musste er, o mein Gott, warum musste er zerstört werden?«
»Dafür gibt es viele Gründe, Madame , die Sicherheitsbestimmungen sind im Moment sehr streng. Womöglich hatten Sie was Verbotenes in Ihrem Koffer? Etwas Gefährliches?«
»Das Gefährlichste darin war ein Paar Schuhe, die einmal in einem Fall von schwerer Körperverletzung zum Einsatz gekommen sind.« Ich presste die Lippen aufeinander, entschlossen, meine Tränen in Schach zu halten. Das konnte nur ein Irrtum sein. »Mit wem kann ich darüber reden?«
»Ich fürchte, das bin ich.« Der Beamte seufzte. Wieder. »Vielleicht war da was, äh, was Batteriebetriebenes?«
»Batteriebetrieben?«
»Vielleicht auch vibrierend?«, tastete er sich diskret vor.
»Vibrierend? Ein Vibrator?«, kreischte ich. Mann, ich konnte wirklich schrill werden, wenn ich wollte. Und angesichts der Blicke, die mir die anderen Reisenden im Flughafen zuwarfen, war Vibrator ein Wort, das global verständlich war. Hervorragend.
»Aber was heißt zerstört?«
»Man hat ihn gezielt detonieren lassen.«
»Gezielt …«
»Ja.«
»Gesprengt?«
» Oui .«
»Ich … was?« Plötzlich fühlte ich mich sehr, sehr unsicher auf meinen Beinen.
»Es tut mir leid, Mademoiselle Clark. Ich darf Ihnen gestatten, den Flughafen zu verlassen, weil es für Sie keine Sicherheitswarnung gibt, aber Ihr Gepäck ist vernichtet worden. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Soll ich Sie zu einem Taxi begleiten?«
»Aber ganz ehrlich, wie kann es …«, versuchte ich es noch mal, als der Beamte mich am Arm durch das Flughafengebäude zu den großen Doppeltüren führte.
Als ich endlich in die Stadt kam, hatte ich gerade erst das dritte Trauerstadium erreicht. Während der Flughafenbeamte mich im wahrsten Sinne des Wortes in den Fond eines Taxis gestoßen hatte, hatte ich noch im Nicht-glauben-wollen gewatet, doch als wir die Hälfte der Strecke in die Stadt zurückgelegt hatten, kochte die Wut in mir hoch. Nachdem ich den erstgeborenen Kindern sämtlicher Flughafenbediensteten von JFK und Charles de Gaulle Rache geschworen hatte, verfiel ich in Depression. Meine Louboutins. Meine wunderbare blaue Marc-Jacobs-Tasche. Alle meine Kleider. Alle. O Gott, all die Kleider, die Jenny mir geschickt hatte. Alle von einem verschwitzten Mann im kurzärmeligen Hemd am Flughafen in ihre Einzelteile zerlegt. Womöglich hatte
Weitere Kostenlose Bücher
Die vierte Zeugin Online Lesen
von
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg