Gucci, Glamour Und Champagner
geschlafen hatte. Alle fünfzehn Minuten schaute ich auf die Uhr und sackte dann gelegentlich weg in angespannte Träume, die damit endeten, dass ich von einem Randstein oder von einer Mauer und einmal auch höchst passend vom Eiffelturm fiel und dann natürlich hellwach war. Schließlich stahl ich mich leise, und ohne Alex zu wecken, aus dem Bett und duschte rasch. Es war erst sieben Uhr, und das Treffen mit Louisa war erst für halb eins vereinbart, aber ich wollte raus, um einen klaren Kopf zu bekommen. Offenbar hatte ich beim Essen doch mehr getrunken, als ich dachte, denn ich war benommen und hatte Kopfweh. Der Blick in den Spiegel am Morgen danach war noch nie mein Freund gewesen, und der heutige Tag machte da keine Ausnahme. Meine lädierte Wange war nun nicht mehr violett, sondern hatte inzwischen eine aparte Gelbfärbung. Das Auge sah noch immer aus, als hätte ich zehn Runden Boxkampf hinter mir. Dass ich nicht geschlafen hatte, machte die Sache nicht besser, meine Nase war rot und beide Augen schmal und klein wie Schweinsäuglein. Sehr sexy.
Ich zog mich im Badezimmer an, klatschte mir Make-up ins Gesicht und schlüpfte in die Jeans vom vorigen Abend. Für übertriebene Raffinesse bestand nämlich keine Notwendigkeit, da Alex, bis der Wecker läutete, tief und fest schlafen und absolut nichts mitkriegen würde. Ich weiß nicht, wie oft ich in seiner Wohnung wachgelegen und den Bauleuten zugehört habe, die neue Wohnblöcke entlang seiner Straße hochzogen, während er bei diesem Klappern und Hämmern selig weiterschlief. Aber heute Morgen wollte ich kein Risiko eingehen.
»Guten Morgen, Mademoiselle .«
»Alain!«
Glücklicherweise gelang es mir, lange genug aus meinem Gedankenkarussel auszusteigen, das zwischen »Was soll’s?« und »Warum liebt er mich nicht?« kreiste, um ihn mit einem halbwegs fröhlichen Grinsen zu begrüßen.
»Kann ich heute Morgen etwas für Sie tun?«, fragte er. Er schien wenigstens keine Angst mehr vor mir zu haben. Er war auf der Hut, aber nicht ängstlich.
»Sie können mir nicht zufällig sagen, von wo ich eine Bootsfahrt machen kann?« Ich grub meinen Plan aus und legte ihn auf die Theke. »Eins von den Booten, von denen aus man die Stadt sieht?«
»Die bateaux-mouches ?« Er beugte sich mit schmalen Augen über den Plan. »Das ist hier.«
»Scheint ziemlich weit weg zu sein«, sagte ich und folgte seinem Bleistift. »Oh! Alma-Marceau! Da war ich schon.«
»Sind Sie sich sicher, dass ich Ihnen kein Taxi rufen soll?« Alex sah mich zweifelnd an. »Sie müssen zweimal umsteigen.«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte ich und steckte den Plan zurück in meine Tasche. »Ich habe einen ziemlich guten Orientierungssinn. Wenn ich mal irgendwo war, finde ich mich auch wieder zurecht.«
» D’accord .« Alain nickte und lächelte mir aufmunternd zu. »Einen schönen Tag.«
Und mit einem Nicken machte ich mich zuversichtlich auf zur Métro Station, wild entschlossen, mich mit einer fröhlichen Bootsfahrt auf der Seine abzulenken.
Aber eine positive Einstellung und der gute Wille allein reichen nicht immer. Kaum befand ich mich fünfzehn Minuten im Zug, war ich völlig verloren. Ich fand es ziemlich gemein, dass man die Schrecken des labyrinthischen Pariser Untergrunds hinter den hübschen Schmiedeeisenschildern der Eingänge verbarg. Diese gaukelten einem vor, ein hübsches Filmset der Sechzigerjahre zu betreten, während man in Wahrheit in den siebten Kreis der Hölle hinabstieg. Und wieso öffneten sich die Türen, bevor der Zug überhaupt hielt? Ich wäre zweimal fast rausgefallen, bevor mir klar wurde, dass das bei jeder Haltestelle so war, egal wie oft ich aus dem einen Waggon stieg und mich in den nächsten warf. Meine erste Fahrt auf eigene Faust von Saint-Sébastien nach Alma-Marceau hatte eine Stunde gedauert. Meine zweite kostete mich anderthalb, die Hälfte meiner Fingernägel und alles, was noch an Geduld übrig war. Dieses Mal allerdings schienen die Leute Mitleid mit meinem blauen Auge zu haben, und ich konnte fast während der ganzen Fahrt sitzen. Dadurch verpasste ich allerdings zweimal meine Haltestelle, weil ich mich nicht rechtzeitig zum Ausgang durchboxen konnte.
Als ich es endlich schaffte, den Tunneln der Métro zu entrinnen, waren die bateaux-mouches wenigstens gut ausgeschildert und die Verkaufsbuden bestens bestückt mit Einwegkameras, gekühltem Wasser und Eis. Nachdem ich mich mit allem eingedeckt hatte, kletterte ich ganz vorne ins Boot, weg
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