Gucci, Glamour Und Champagner
von den Paaren, die bereits in den hinteren Reihen knutschten, weg von den Familien, die sich taktisch in Nähe der Toiletten positionierten, und nah an der Gruppe von Rentnern, die sich gegen die 32 °C warm eingepackt hatten. Sie nickten mir anerkennend zu, und ich lächelte zurück und nahm dann auf der anderen Gangseite Platz. Noch war ich nicht dazu bereit, mich mit alten Damen anzufreunden. Aber in sechs Monaten können wir noch mal darüber reden.
Nach ein paar Minuten bangen Hoffens, dass keiner sich neben mich setzte, legte das Boot ab, und nach ein paar weiteren Minuten, in denen ich versuchte, den englischen Kommentar aus den Erläuterungen in Französisch, Deutsch, Spanisch und Japanisch herauszufiltern, wechselte ich zu meinem iPod. Und wie sollte es auch anders sein, wenn ohnehin schon alles schieflief – gleich der erste Song war einer von Alex. Normalerweise hörte ich seine Band gern, ich war bereits Fan von ihr, bevor ich seine Freundin wurde (ohne Groupie gewesen zu sein, wie ich immer wieder betonte), aber jetzt entdeckte ich in allen Texten nur Doppeldeutiges. In welchen Songs ging es um Solène? In den fröhlichen? In den traurigen? Ich konnte mir nicht mal die anhören, von denen ich wirklich wusste, dass es darin um mich ging, denn ich verglich sie mit den anderen. Sie kamen mir plötzlich viel weniger gefühlvoll, weniger fesselnd vor, und dabei ging es nicht nur um den Vergleich zwischen einem ersten und einem dritten Album. Ich ging meine Playlisten durch und entschied mich schließlich für Girls Aloud. Das konnte man nicht falsch interpretieren.
Ich wusste eigentlich nicht recht, was ich mit dieser Bootsfahrt bewirken wollte, aber wenn sie mich noch deprimierter machen sollte, dann war sie erfolgreich. Das Boot fuhr flussauf, flussab an all diesen prachtvollen historischen Gebäuden vorbei, bei deren Anblick gelegentlich etwas aus dem Kollegstufenkurs Geschichte aufblitzte, hauptsächlich Ereignisse, die mit gewaltsamen und blutigen Todesfällen verbunden waren, und doch vermochte nichts mich aus meiner miesen Laune zu reißen. Also gut, ich musste die Sache vernünftig angehen. Alex hatte Grund genug zu glauben, dass ich nicht bei ihm einziehen wollte. Er hatte mich seit Monaten darum gebeten, und ich hatte ständig Ausreden gehabt. Und wenn ich meinen Stolz mal hintanstellte, dann konnte ich sehr wohl verstehen, warum er nicht gerade aufs Heiraten erpicht war. Ich wusste, dass seine Eltern geschieden waren und seine letzte Beziehung ein schreckliches Ende gefunden hatte, weil er betrogen worden war.
Und darüber, dass er jetzt keine Kinder wollte, musste ich mir keine Gedanken machen, denn die Ansammlung kleiner Terroristen, die ihren Spielplatz-en-Seine genossen, reichten, um mich in Panik zu versetzen, und machten mir keinesfalls Mut, eines Tages für einen davon zeitlebens verantwortlich sein zu wollen. Doch auch das half nichts. Während wir auf Notre Dame zusteuerten, gab ich mir alle Mühe, mich nicht umzudrehen und hoch zu Solènes Wohnung zu starren, aber natürlich vergebens. Ich entdeckte sie auf Anhieb, und sie sah vom Fluss aus genauso toll aus wie von innen. Miststück. Aber Solène war im Moment nicht mein Problem, mein Problem war vielmehr, Alex davon zu überzeugen, dass ich wirklich bei ihm einziehen wollte und wir zusammenleben sollten, wie er das zu Recht vorgeschlagen hatte.
Vielleicht sollte ich es nach Paris angehen, überlegte ich, während ich einen Schnappschuss vom Musée d’Orsay machte und dann weiterknipste, um auch den Louvre im Bild festzuhalten. Einfach abwarten, bis die Wogen sich geglättet hatten, nach Hause fahren, und waren wir dann wieder in seiner Wohnung, würde er sich sicherlich erinnern, warum er mich dort haben wollte.
Ich trank mein lauwarmes Wasser und lehnte mich in meinen Sitz zurück und versuchte, die Bootsfahrt zu genießen. Wir umrundeten die Île de la Cité und kehrten dann zurück auf den Hauptarm des Flusses, vorbei am Paris Plage . Ich war wirklich kein Strandtyp und zog Erins Pool dem Privatstrand ihres Hauses in Provincetown vor, aber man konnte die Entschlossenheit der auf dem Sand liegenden Pariser nur bewundern. So weit das Auge reichte nur Bikinis und Schwimmshorts – sie nahmen das wirklich todernst. Ich stützte mein Kinn auf die Reling und beobachtete all die hübschen Pärchen, die sich gegenseitig Sonnenschutzcreme einmassierten und sich überspannt küssten. Diejenigen, die nicht in Sonnenliegen auf dem Sand
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