Gucci war gestern: Bekenntnisse einer eingebildeten Glamour-Queen, oder warum Sie nie mit Ihrer Pradatasche aufs Arbeitsamt gehen sollten (German Edition)
und überdeutlich mit mir, als sei ich ein Trottel oder eine Terroristin? Würde sich eine Terroristin Dynamit an ein Kaschmir-Twinset heften? Ich glaube kaum. Ich muss mich wirklich beherrschen, um diesen Leuten nicht gehörig die Meinung zu geigen.
An meinem dritten Arbeitstag habe ich endlich die Gelegenheit, mit Jerry zu reden. Er spaziert aus seinem Büro und kommt an meinen Schreibtisch.
»Hi. Sie sind die Aushilfe, richtig?« Womit er mir ein Blatt Papier hinhält.
Hurra! Das ist die Gelegenheit, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Ich habe gehört, dass Jerry noch einen Verkäufer sucht, und ich weiß, dass ich einfach der Knaller wäre. Die vergangenen beiden Tage habe ich damit verbracht, alte Verträge zu lesen und mir Stück für Stück zusammenzureimen, wie sie ihre Verkäufe abwickeln. Ich habe mir etliche ihrer PowerPoint-Präsentationen angesehen und schon angefangen, die Verkaufsstrategie so anzupassen, dass sie optimal zu mir passt. Ich habe gehört, wie er am Telefon andere Bewerber befragt hat, und ich habe mir einige gut formulierte Antworten zurechtgelegt. Ich wäre der Hammer in diesem Job, wenn man mich nur ließe. »Ja, Jerry, ich bin Jen Lancaster, und ich bin …«
»Prima. Ich bräuchte eine Kopie hiervon, bitte.«
Autsch.
Wie betäubt tappe ich zum Kopierer, mache eine Kopie und bin noch vor Jerry an seinem Schreibtisch. Mir ist klar, dass ich dazu da bin, ihm solche Arbeiten abzunehmen, aber ginge es nicht schneller, wenn er das selbst erledigen würde? Auf dem Weg zu mir ist er an dem blöden Kopierer vorbeigelaufen, verdammt noch mal. Noch ehe er sitzt, reiche ich ihm die Blätter und versuche, irgendwie seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, um ihn in ein Gespräch zu verwickeln, in dem ich mit meinen Kenntnissen und Erfahrungen punkten kann. Wobei ich allerdings sehr feinfühlig vorgehen muss, denn die Zeitarbeitsagentur hat strikte Regeln bezüglich Aushilfskräften, die versuchen, in dem ihnen zugewiesenen Unternehmen eine Festanstellung an Land zu ziehen. 134
»Bitte sehr«, flöte ich und lächele mein breitestes Honigkuchenpferdgrinsen.
»Mhm.« Er greift zum Telefonhörer und wendet sich ab.
Hmpf. Wenn ich diesen Job haben will, muss ich irgendwie beweisen, dass ich nicht unsichtbar bin.
»Hi, ähm … äh … mh«, stammelt Jerry. Er steht vor mir mit einem Karton voller Miniaturpfefferminzstangen und einem gigantischen Stapel gefalteter Blätter.
»Jen war der Name«, sage ich zuvorkommend. Ja, Sie wissen schon, Jen? Das gut gekleidete, makellos zurechtgemachte Mädel, an dem Sie die letzten fünf Tage ständig vorbeigelaufen sind? Aber ich setze ein strahlendes Lächeln auf im Vertrauen darauf, dass er mich nach meinem Lebenslauf fragen wird, sobald er merkt, wie kompetent ich eigentlich bin. »Was kann ich für Sie tun?«
»Kathy hat mit diesem Projekt begonnen, ehe sie gegangen ist, und jetzt müsste ich Sie bitten, damit weiterzumachen. Wir schi-cken all unseren Anzeigenkunden ein Weihnachtspräsent. Kleben Sie also bitte je eine Pfefferminzstange an eine Karte und stecken Sie die dann in ein eigenes FedEx-Päckchen.«
»Aber die Päckchen noch nicht zukleben, richtig?«, erkundige ich mich. Aha! Mein Auftritt! Hier zeigt sich, wie clever ich bin, weil ich nämlich schon weiß, dass die Kartons nicht zugeklebt werden sollen. Sonst müsste ich sie ja noch mal aufmachen, um das Geschenk reinzustecken. Würden sie bloß die Karten verschicken, müsste ich sie in einen Umschlag stecken, da das viel günstiger wäre. Man staune, wie logisch ich denke! Stellen Sie mich sofort ein!
»Warum sollten Sie die denn nicht zukleben?« Jerry schaut mich verwirrt an.
»Um später die Geschenke dazuzupacken, natürlich.«
Er schüttelt den Kopf. »Es gibt keine anderen Geschenke. Die Pfefferminzstange und die Karte sind das Geschenk.«
»Moment. Das verstehe ich nicht. Warum würde man denn zwanzig Dollar ausgeben, um einen Pennyartikel wie diese Pfefferminzstangen zu verschicken? Das ergibt doch gar keinen Sinn. Das ist doch sicher nicht das Einzige, was Sie Ihren Kunden als Weihnachtspost schicken. Das soll so eine Art Test sein, oder? Es muss noch was anderes geben, weil … weil …«
Jerry wird knallrot im Gesicht. Und obwohl ich früher mal im Geschäftsvorstand war, wird mir klar, dass ich in naher Zukunft sicher keine Zeitschriftenwerbung verkaufen werde.
Klingelingeling …
»Also, Chuck, Sie meinen, sollten Sie wieder eine offene
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