Gucci war gestern: Bekenntnisse einer eingebildeten Glamour-Queen, oder warum Sie nie mit Ihrer Pradatasche aufs Arbeitsamt gehen sollten (German Edition)
nicht in Frage kommen – die meisten erfordern mindestens fünfundvierzig Wörter die Minute. Aber Sie können gerne jederzeit im Büro vorbeikommen, wenn Sie üben und sich noch etwas verbessern möchten.«
Pfft – eigentlich hätte ich schon Sonderpunkte bekommen müssen, weil ich wusste, was eine IBM Selectric überhaupt ist. Wie dem auch sei. »Und was kommt jetzt?«, erkundige ich mich.
»Jetzt kommen wir zur Überprüfung Ihrer Computerkenntnisse. Wenn Sie also Ihre Aktentasche mitnehmen und mir folgen wollen, dann können wir gleich anfangen.«
Also gut, vielleicht hatte ich beim Schreibmaschinentest nicht gerade brilliert. Und wenn schon. Beim Computerteil kann mir allerdings KEINER was vormachen. Ich bin die amtierende Königin der Tabellen. Sortierung? Wie hätten Sie’s denn gerne? Nach Marke, Modell, Seriennummer? Absteigend oder aufsteigend? Addition? Ein Kinderspiel. Sie möchten eine Formel, um siebenunddreißig Prozent auf den Grundpreis aufzuschlagen, aber nur bei bestimmten Posten der jeweiligen Spalte? Immer her damit. Und, Mann, ich kann mit einer Access-Datenbank Sachen anstellen, da würde das kleine Jesuskind in Tränen ausbrechen. Oder wie wäre es mit einer Webseite? Meine HTML-Kenntnisse sind irre , sage ich Ihnen. Damals bei Midwest IR habe ich mir selbst das Programmieren beigebracht, als ich das Portfolio-Management-Interface entworfen habe. Sie dürfen mich ab sofort Jennifer Lancaster Gates nennen.
Jill fährt den Rechner hoch und öffnet Microsoft Word. Dann drückt sie mir ein reichlich überformatiertes Dokument in die Hand und weist mich an, es genauso im Rechner darzustellen. Igitt, warum denn das? Lieber würde ich sterben, als dass ein grottenhässliches Papier wie das hier unter meinem Briefkopf erscheint. Da sind Tabellen und Diagramme und Spalten eingefügt, und dazu ungefähr fünfzehn verschiedene Schrifttypen und -größen, Einschübe, Fußnoten und Seitenzahlen.
»Also dann, in fünf Minuten bin ich wieder da.« Jill marschiert zurück an den Empfangsschalter. Zaghaft mache ich mich ans Werk, wobei ich mich sehr auf die fröhliche kleine animierte Microsoft-Büroklammer verlasse. Schwer ist diese Aufgabe nicht – bloß mühsam und nervtötend. Sollte mein Chef mir jemals mit so etwas ankommen, würde ich mich mit ihm hinsetzen und sehr ernst mit ihm über grundlegende Geschmacksfragen und das Prinzip des »Weniger ist mehr« reden, statt zuzulassen, dass er ein derart schizophrenes Durcheinander durchgehen lässt.
Eine Nanosekunde später steht Jill schon wieder hinter mir und schaut mir über die Schulter. Schnell druckt sie aus, was ich zusammengebastelt habe, und nimmt meine Arbeit unter die Lupe. »Das ist ja furchtbar! Kaum zu fassen, wie schlecht das ist! Und Sie sind so unglaublich langsam. Ihre Word-Kenntnisse sind nicht der Rede wert. Haben Sie überhaupt schon mal in einem Büro gearbeitet?«
»Ja, das habe ich«, entgegne ich mit zusammengebissenen Zähnen. Ich habe mir gerade die größte Mühe gegeben, und jetzt macht eine Rezeptionistin mich zur Schnecke? Nicht mit mir. »Wobei ich damals allerdings im Geschäftsvorstand war und Mädels wie Sie diese Arbeit für mich gemacht haben.«
Ein Glück, dass Shayla Chuck angerufen hat, denn ihre Empfehlung ist der einzige Grund, weshalb ich überhaupt eine Stelle bekommen habe. In der kommenden Woche unterstütze ich den Leiter des Anzeigenverkaufs einer riesengroßen Einrichtungszeitschrift. Also, ist so ein Glück zu fassen? Liebend gerne würde ich fest im Anzeigenverkauf arbeiten. Meine Freundin Kim ist Chefin der Marketingabteilung bei Midwest IR, und die fliegt dauernd irgendwohin, wo es schön ist, um potentielle Kunden in hochpreisige Bars und Restaurants auszuführen. Ich bin spritzig und charmant, und die Kunden stehen auf mich – Anzeigen verkaufen könnte ich mit links. Nicht nur, dass ich superüberzeugend bin, nein, ich stehe auch noch total auf diese Zeitschrift. Ich würde perfekt da reinpassen, und ich werde alles geben, damit der Chef der Marketingabteilung das auch merkt.
Pünktlich um acht Uhr fünfundvierzig stehe ich an der Rezeption, wo mich eine missmutige kettenrauchende Krähe namens Pat in Empfang nimmt. Sie sieht aus wie eine von Marge Simpsons Schwestern, und genauso klingt sie auch. Mir fällt auf, dass sie ihre Zigaretten in einem selbstbestickten Etui an einer Plastikkette um den Hals trägt. »Ich bringe Sie nach hinten, wo Sie arbeiten werden, aber zuerst hängen
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