Gucci war gestern: Bekenntnisse einer eingebildeten Glamour-Queen, oder warum Sie nie mit Ihrer Pradatasche aufs Arbeitsamt gehen sollten (German Edition)
weil mir auch das Lipgloss ausgegangen ist. 169
»Also, wie sehe ich aus?« Ich bin wieder nach oben ins Schlafzimmer geflitzt und drehe vor Fletch eine kleine Pirouette.
»Hübsch siehst du aus.« Ich falle ihm um den Hals, woraufhin er mich etwas fragend anschaut. »Aber warum riechst du nach Muffins?«
Heute ist der erste Arbeitstag in meinem neuen Aushilfsjob. Als ich vorhin auf den Bus wartete, habe ich mich doch tatsächlich dabei ertappt, dass ich beim Gedanken daran, tatsächlich wieder zur ARBEIT zu fahren, gegrinst habe wie eine Miss-America-Kandidatin. (Mit meinen auftoupierten, sonnengebleichten Haaren, dem etwas zu gebräunten Teint, den fettigen rosa Lippen und dem Pastellkleidchen sehe ich zwar eher aus wie Barbies fette ältere Schwester, aber endlich wieder eine sinnvolle Tätigkeit in Aussicht zu haben, hat mit ein breites Lächeln aufs Gesicht gezaubert.)
Wobei ich natürlich, als der Bus nach zwei Minuten Wartezeit noch immer nicht gekommen war, völlig ausflippte und ein Taxi angehalten habe. Fünf Minuten später stand ich vor meinem vorübergehenden Büro, was dann hieß, dass ich noch eine Dreiviertelstunde totschlagen musste, ehe ich zur Arbeit antreten musste. Weshalb ich über die Straße zu Starbucks ging.
Und da sitze ich nun mit meinem fettarmen Latte an einem Granitimitattresen und betrachte die Szenerie. Irgendwie seltsam, aber wenn ich durchs Fenster schaue, kann ich direkt auf der anderen Straßenseite das Gebäude sehen, in dem ich jetzt als Aushilfe arbeiten werde. Rechts davon sitzt die Versicherung, bei der ich gearbeitet habe, als ich gerade ganz frisch vom College kam. Und links daneben ist das Gebäude, in dem Midwest IR seinen Sitz hat. 170
Vor Jahren, als ich noch bei der Krankenversicherung war, bin ich immer ganz schnell hier reingeflitzt und habe mir ein Sandwich und einen heißen Tee geholt, ehe sie dichtmachten, weil wir die Mittagspause grundsätzlich durchgearbeitet haben. Und später dann, als ich langsam die Karriereleiter hochzuklettern begann, sind meine Assistentinnen für mich losgedüst, um mir einen Kaffee zu besorgen. Und nun könnte es gut sein, dass ich diejenige sein werde, die zum Kaffeeholen geschickt wird. So sitze ich da und grübele, wie es wohl kommt, dass ich, ganz egal, was beruflich auch passiert, immer wieder in demselben blöden Starbucks lande.
Webeintrag vom 26.06.03
Das Problem mit Heather
Momentan arbeite ich als Aushilfe in der Abteilung Kundenpflege eines richtig tollen multinationalen Konzerns.
Dass das Unternehmen toll ist, habe ich schon allein daran gemerkt, dass sie sich lang und breit entschuldigt haben für die zum Gähnen langweilige Aufgabe, die ich dort zu erledigen habe. Ich bin nämlich zuständig für die Pflege und die Entrümpelung ihrer Kundenkartei. Meine Aufgabe besteht darin, die unzähligen E-Mails abzuarbeiten, die sich im Posteingang stapeln, seit sie ihre letzte Aushilfe gefeuert haben, weil die wohl, wenn sie nicht gerade im Netz surfte, während der Arbeitszeit ihren Schönheitsschlaf gehalten hat, und die Daten entsprechend zu korrigieren und aktualisieren. 171
Zu ungefähr neunzig Prozent habe ich es mit nicht zugestellten E-Mails aufgrund ungültiger Adressen zu tun. Kommt eine Mail als unzustellbar zurück, muss ich in die Datenbank gehen und den betreffenden Kunden austragen. Der Großteil meiner Arbeit besteht also aus ÖFFNEN, KOPIEREN, EINFÜGEN, ABFRAGE, MARKIERUNG LÖSCHEN, SCHLIESSEN, und das schätzungsweise dreimal pro Minute. 172
Richtig Spaß macht es eigentlich nur, die zehn Prozent der Mails zu lesen, die echte Rückmeldungen von Kunden sind. Wobei in den meisten die Bitte geäußert wird, von der Mailingliste genommen zu werden, und genau da fängt der Spaß an! Die Leute schreiben wütende Mails, in denen Sie fluchen und schimpfen, was das Zeug hält, um aus einer Mailingliste gestrichen zu werden, in die sie sich irgendwann mal aus freien Stücken eingetragen haben. Eine meiner Lieblingsmails kam von einer Frau, die ein viele Absätze langes Traktat da-rüber verfasst hatte, wie wir den Nerv haben könnten, ihr eine E-Mail an ihre Büroadresse zu schicken, wo sie doch eine vielbeschäftigte berufstätige Frau sei, die keine Zeit für solche Kinkerlitzchen habe, und sie könne einfach nicht verstehen, warum sie sich nun auch noch die Mühe machen müsse, uns anzuschreiben, damit wir diese Belästigung in Zukunft unterlassen, blablabla. Diese Litanei zu verfassen muss
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