Gucci war gestern: Bekenntnisse einer eingebildeten Glamour-Queen, oder warum Sie nie mit Ihrer Pradatasche aufs Arbeitsamt gehen sollten (German Edition)
Ich muss augenblicklich anfangen, einen Notfallplan zu erarbeiten. Ich würde sagen, hoffen wir das Beste und rechnen wir mit dem Schlimmsten.«
»Ebensooo«, seufzt Laurel.
»Macht’s gut, Leute.«
»Dito. Bye, Laurel. Bis dann, Jen.«
Mir zittern die Hände, als ich den Hörer auflege. Vier Fusionen habe ich miterlebt, als ich noch bei der Versicherung gearbeitet habe, und bei jeder einzelnen gab es Massenentlassungen. Zum Glück war ich bisher nie davon betroffen, aber diesmal werde ich sicher nicht so ungeschoren davonkommen. Unsere Konkurrenz ist nämlich in meinem Bereich wesentlich besser aufgestellt, weil wir noch neu sind in diesem Marktsegment. Wenn wir mit denen fusionieren, dann wird Corp. Com. mein Team auf gar keinen Fall behalten, ganz gleich, wie unsere Erfolgsquote aussieht. Alles läuft darauf hinaus, dass die ein eingeführter Markenname sind. Und seit dem Dot-Com-Crash wird es immer schwerer, in meiner Branche einen neuen Job an Land zu ziehen. Zu viele gute Leute, zu wenig freie Stellen. Das ist schlecht. Das ist ganz schlecht.
In den vergangenen Wochen habe ich wie eine Callcenter-Agentin bei der Kaltakquise am Telefon gehangen und versucht, irgendwo einen Interessenten aufzutun. Was sich als viel schwieriger herausstellt als beim letzten Mal, als ich einen neuen Job suchte. Als ich im Juni 2000 meinen Lebenslauf online gestellt habe, bekam ich zehn Anrufe am Tag. Jetzt komme ich mir vor, als hätte ich die Beulenpest.
Wie dem auch sei, ich habe es immerhin geschafft, für nächsten Dienstag einen Vorstellungstermin bei einem großen Unternehmen mit Schwerpunkt Anlegerpflege zu bekommen, und zwar bei Birchton & Co. Birchton gehört zu Courtneys Kunden, und die hat bei denen ein gutes Wort für mich eingelegt. Juhu! Obwohl sie eigentlich nicht möchte, dass ich weggehe, weiß sie auch, dass ich die Miete für meine teure Wohnung irgendwie bezahlen muss. Und außerdem, sollte ich den Job bekommen, geht Courtney natürlich davon aus, dass ich ihr jede Menge Aufträge zuschustere. Da ich bei denen eine Beraterfunktion hätte, wäre das Grundgehalt fast astronomisch hoch, also wage ich mal die Prognose, dass ich binnen kürzester Zeit auf meiner neuen Couch sitzen dürfte.
Warum habe ich mir bloß solche Sorgen gemacht? Alles wird gut.
Die Leute bei Birchton & Co. werden mich vom Fleck weg einstellen wollen, wenn sie mich sehen; mein Outfit für das Vorstellungsgespräch ist nämlich einfach ZU SÜSS. Nach vielem Hin und Her habe ich mich für einen umwerfenden, ganz in Schwarz gehaltenen Blazer von Jones New York entschieden mit passendem Etuikleid darunter. Als i-Tüpfelchen will ich mir noch meinen limettengrünen Leopardenprint-Schal um den Hals schlingen. Und dann die Krönung, meine Kate-Spade-Schuhe! Die haben winzig kleine limettengrüne Biesen, und der ganze Look schreit förmlich: »Kompetent, professionell und ein sechsstelliges Gehalt mehr als wert!«
Und ja, diesmal habe ich auch daran gedacht, mir die Achseln zu rasieren. Als ich dieses Ensemble das letzte Mal anhatte, war es ein DESASTER. Erstens war es ungewöhnlich heiß für die Jahreszeit. Arty-der-Spacko hatte mir die falsche Adresse aufgeschrieben, was ich erst merkte, als es schon zu spät war, und dann mussten wir den ganzen Weg zum Prudential Building RENNEN. Das Kleid, die Jacke, das Seidenfutter der einzelnen Kleidungsstücke, die Strumpfhose, mein Strangulationshöschen von Nancy Ganz 47 und die defekte Klimaanlage des Kunden führten dazu, dass ich schwitzte wie ein Braten in der Röhre. Und da ich mir das Rasieren gespart hatte, konnte ich nicht mal die Jacke ausziehen. Es war wie die Szene mit Albert Brooks in Nachrichtenfieber : Mir lief der Schweiß in Strömen über das Gesicht geradewegs auf den Tisch im Konferenzzimmer. Ich versuchte, ihn unauffällig mit meinem Notizblock aufzuwischen, aber es hatte alles keinen Zweck. Ich wäre am liebsten im Boden versunken vor Scham, und diese Aktion habe ich Arthur bis heute nicht verziehen.
Mein Vorstellungsgespräch ist erst mittags, aber ich bin so aufgeregt, dass ich schon seit halb sechs wach bin. Ich habe auf der Dachterrasse einen Kaffee getrunken und zugeschaut, wie die Sonne über der Stadt aufging. Während ich den Blick von Nord nach Süd über die Häuser schweifen ließ, fiel mir wieder auf, wie sehr ich »meine« Skyline mag: das Hancock Center, das AT&T-Gebäude, den Merchandise Mart, das Hauptquartier von Aon Corporate, 311 South Wacker, und
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