Gucci war gestern: Bekenntnisse einer eingebildeten Glamour-Queen, oder warum Sie nie mit Ihrer Pradatasche aufs Arbeitsamt gehen sollten (German Edition)
in der Fifth Avenue zu shoppen. New York ist einfach unschlagbar! Sobald ich es geschafft habe, Fletch rumzukriegen, ziehen wir auf der Stelle hierher.
Vorher war ich in dem entzückenden Gourmetladen in der Nähe des Lincoln Center, um Big Daddys Lieblingslimonenmarmelade en gros nachzukaufen. Während ich mit meinen Tüten jonglierte und gleichzeitig ein Taxi heranwinkte, fragte mich doch tatsächlich eine Touristengruppe nach dem Weg. Mich. Die dachten, ich sei eine New Yorkerin! Und das Beste war, dass ich ihnen doch tatsächlich den Weg erklären konnte.
Augenblicklich stecke ich allerdings in einem schweren Dilemma. Ich arbeite zurzeit an einem Projekt mit einer ganz großen Zeitschrift, und es könnte sein, dass ich demnächst bei der Frühstückssendung Good Morning America im Fernsehen auftreten werde. Okay, eigentlich wollen sie die Chefredakteurin der Zeitschrift interviewen, aber nur, weil die Produzenten MICH noch nicht kennengelernt haben. 46 Und darum habe ich auch solche Probleme, das richtige Lipgloss auszusuchen. Welcher würde wohl vor der Kamera am besten aussehen? Der zarte Pfirsichton ist so herrlich duftig-sommerlich, doch das schimmernde Rosenblütenrosa betont meine Sonnenbräune. Am liebsten würde ich einfach den transparenten nehmen und damit fertig, allerdings ist der so zähflüssig, dass meine Haare immer daran kleben bleiben, sobald ich den Kopf bewege. Und ich will mir nun wirklich nicht vor Charlie Gibson und ganz Amerika die Frisur aus dem Mundwinkel ziehen müssen.
Mit einem schnellen Blick auf die Uhr wird klar, dass ich für meine Verabredung zum Lunch mit der Zeitschriftendame schon zwanzig Minuten zu spät dran bin. Oh nein! Furchtbar, wenn man so jegliches Zeitgefühl verliert; das ist einfach unmöglich. Zu einem Geschäftstermin zu spät zu kommen grenzt in meinen Augen schon beinahe an ein Verbrechen. Es ist mir schrecklich unangenehm, so einen wichtigen Menschen einfach warten zu lassen, also muss ich diese Sache jetzt schnell über die Büh-ne bringen. Ich muss auf der Stelle eine professionelle Entscheidung treffen.
»Wissen Sie was, Sylvie? Packen Sie mir einfach alle ein.«
Kaum aus New York zurückgekommen, klingelt auch schon das Telefon in meinem Büro.
»Jen Lancaster am Apparat«, flöte ich, nachdem ich über mein gestreiftes Gepäck gehechtet bin, um den Hörer zu erreichen.
»Jen!HiersindRyanundLaurelundwirmacheneineTelefonkon ferenzundoGottduwirstnichtglaubenwaspassiertist!!!«, kreischt Ryan in den Hörer.
»Ryan, du bist im völlig hysterisch-überkandidelten Hyperdramatik-Modus. Was ist denn los? Hat der Verkäufer bei Barneys dein zweideutiges Angebot etwa angenommen?«, frage ich. Okay, haben wir nicht den ganzen letzten Abend im Village zusammen Appletinis getrunken? Warum ruft der mich jetzt so völlig aufgelöst an? Was bitte kann schon in den vergangenen zwölf Stunden Großartiges passiert sein? »Oder hat Mac deinen Lieblings-Eyeliner eingestellt?«
»Neeeein!«, heult er. »Ganz kalt!«
»Dann schalte mal einen Gang runter und wiederhole den ganzen Satz, bitte«, fordere ich.
Nun mischt Laurel sich ein. »Jeeeen, das ist ain gaaanz eahnstar Anruf. Wir stehen kuahz vor einar Fiiiamen-Fuhssion.« Wenn sie aufgeregt ist, wird ihr Akzent besonders heftig. Was immer da vor sich gehen mag, es muss was Unerfreuliches sein, den ich verstand kain Woart.
»Einer was?«
»EINE FIIIAMEN-FUHSSION«, wiederholt sie.
Jetzt werde ich langsam sauer und könnte beiden Überbringern der schlechten Nachricht an die Gurgel gehen. »Was zum Teufel brabbelt ihr da für ein wirres Zeug?«, will ich ultimativ wissen.
»Eine Fusion! Wir fusionieren mit unserem größten Konkurrenten!«, kreischt Ryan.
»Heiliger Himmel, du willst mich verschaukeln. Bist du ganz sicher?« Bitte, bitte, bitte, mach, dass sie sich verhört haben. Denn wenn das stimmt, dann sind das ganz FURCHTBARE Nachrichten. Mir werden die Knie weich.
»Ich wünschte, ich wäre es nicht. Die Story kam gerade erst über die Nachrichtenagenturen, und jetzt reden sie schon bei MSNBC darüber. Es ist amtlich«, bestätigt Ryan geknickt.
»Mist, was macht ihr denn jetzt?«, frage ich.
»Ich gehe naaachher zum Heaaadhuntar von maim Maaann«, sagt Laurel.
»Und ich gehe jetzt gleich zu Monster.com und stelle meinen Lebenslauf ein«, entgegnet Ryan, während ich im Geiste schon meine eigenen Bewerbungsunterlagen durchgehe.
»Laurel, Ryan, danke, dass ihr mich angerufen habt. Ich muss los.
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