Gucci war gestern: Bekenntnisse einer eingebildeten Glamour-Queen, oder warum Sie nie mit Ihrer Pradatasche aufs Arbeitsamt gehen sollten (German Edition)
billig.
Außerdem behauptet Fletch standhaft, er würde nie im Leben so viel Kohle verdienen, hätte ich ihm nicht immer den Rücken gestärkt und ihm Mut gemacht, sich um Jobs zu bewerben, an die er sich ohne mich niemals herangetraut hätte, und ihn dazu gedrängt, die Bezahlung zu verlangen, die er verdient. Kaum hat er ein paar Scotchs getrunken, kann er endlos davon schwärmen, wie sehr sein Leben sich zum Guten gewendet hat, seit er mich kennt (was ich natürlich immer wieder gerne höre).
Als Kind und Jugendlicher wurde er immer unterschätzt und für leicht schräg gehalten. So gab es zum Beispiel in der Nähe seines Elternhauses ein Feld mit Sojabohnen. Während seine Altersgenossen mit sechs große Bugs-Bunny-Fans waren, quälte er sich mit der philosophischen Frage herum, warum jemand Bohnen anpflanzt, die man nicht essen kann. Statt sich darüber zu freuen, wie klug Fletch war, erklärte sein Vater ihm, es sei dumm, diese Frage überhaupt zu stellen. (Mal unter uns, wozu zum Teufel sind Sojabohnen eigentlich gut?)
»Jen, wann meldest du dich endlich arbeitslos?«
»Nie«, entgegne ich standhaft.
»Und warum nicht?«
»Weil ich kein Schnorrer bin. Ich will dem Staat nicht auf der Tasche liegen. Herrgott noch mal, ich bin Republikanerin. Die würden mich glatt aus der Partei ausschließend, wenn ich von der Stütze lebe!«
»Hol mal deine letzte Gehaltsabrechnung«, weist er mich an.
Ich muss lange in meinen Unterlagen kramen, bis ich sie schließlich finde. »Bitte sehr.« Ich reiche ihm das Blatt und hocke mich neben ihn auf die Sessellehne.
»Schau dir mal diese Zahlen an. Siehst du diese Summen?« Ich nicke. »Das ist das Geld, das dir in diesem Jahr in Form von Steuern vom Gehalt abgezogen wurde. Moment, vielleicht sollte ich ganz von vorne anfangen. Dir ist klar, dass es in diesem Land ein Steuersystem gibt, oder?«
»Sei nicht so gemein.« Mit der Handvoll Dollarscheine gebe ich ihm einen Klaps.
»Also gut, dann weißt du auch, dass dein Geld, wenn du Steuern bezahlst, an die Bundes- und Landesregierungen verteilt wird. Mit deinen Steuergeldern wird alles Mögliche finanziert, von Schulen und Feuerwehren über medizinische Einrichtungen, Sozialhilfe, die Zinsen unserer Staatsschulden, und so weiter.«
»Fängst du jetzt gleich an, mir das Kinderlied vorzusingen, wie aus einer Vorlage ein Gesetz wird?« 60
»Hatte ich eigentlich nicht vor.«
»Verrätst du mir dann, warum du mir Nachhilfe in Staatsbürgerkunde gibst?«
»Weil du sie bitter nötig hast. Ich versuche nur, dir klarzumachen, dass ein Teil dieses Geldes hier« – er malt mit dem Finger einen Kreis auf das Blatt – »in die Arbeitslosenunterstützung wandert.«
»Soll das heißen, es ist gar keine Stütze?«
»Ganz genau. Wenn du Arbeitslosengeld erhältst, bekommst du bloß was von dem Geld zurück, das DU SELBST für genau diesen Fall in das System eingezahlt hast. Das ist, als bekäme man Geld von einer Versicherung. Und was dir besonders gefallen wird – dein ehemaliger Arbeitgeber muss auch einen Teil des Geldes bezahlen, auf das du Anspruch hast.«
»Diese miesen Corp.-Com.-Schweine könnten statt deiner meinen Tequila-Abend sponsern?«
»Exakt.«
Der Mann weiß einfach ALLES! Stürmisch falle ich Fletch um den Hals und werfe ihn mit der Wucht meiner Umarmung um. »Könntest du mich bitte ein bisschen weniger lieben? Du klemmst mir die Luftröhre ab«, röchelt er.
»Keine Chance«, gebe ich zurück und drücke noch ein bisschen fester zu.
Den Morgen verbringe ich damit, in meinem begehbaren Kleiderschrank verschiedene Outfits anzuprobieren und wieder zu verwerfen. Was bitte trägt man denn zum Antrittsbesuch beim Arbeitsamt? Soll ich mich aufdonnern? Meine Aktentasche mitnehmen? Was schreibt das Protokoll in einem solchen Fall vor? Um ehrlich zu sein, habe ich kaum »normale« Straßenkleidung. Jede Menge elegante Klamotten fürs Büro und schicke, schnuckelige Fetzen, um sich mit Freunden in Chichi-Bistros zu treffen, aber lässige Freizeitkleidung? Fehlanzeige. Schließlich entscheide ich mich für einen langen Rock, ein Twinset und eine dreireihige Perlenkette. Ein rascher Seitenblick in den großen Ganzkörperspiegel bestätigt meine Befürchtungen. Ich sehe aus wie eine der Frauen von Stepford. Ach, was soll’s, besser zu chic als zu schlampig, oder?
Auf der Arbeitsplatte in der Küche stapeln sich sämtliche Dokumente, die ich mitbringen soll. 61 Weil ich keine Lust habe, meine dicke, schwere
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