behaupten, die Romantik sei tot?
An: SweetMelissa
Von:
[email protected]Datum: 27. August 2002
Betreff: Hier kommt die Braut …
Melissa,
damit Du was zu lachen hast, hier ein kleine Liste aller Leute, die ich in den vergangenen vierundzwanzig Stunden angebrüllt habe.
• Fletch
• Die bekloppte Mutter im Walsh Park, die dachte, es sei eine ganz tolle Idee, ihr Krabbelkind mit in den eingezäunten Hundeauslauf zu nehmen, und dann ausgeflippt ist, als die Hunde (okay, Maisy) das Kind angesprungen haben. DAS IST EINE HUNDEFREILAUFFLÄCHE – WAS GLAUBT DIE DENN, WAS DIE HUNDE DA MACHEN SOLLEN? ROMMÉ SPIELEN?
• Fletch
• Die Leute an der Rezeption des Mandalay Bay. Die haben doch allen Ernstes versucht, mir zu verklickern, die Flitterwochensuite sei nur mit Unterbrechungen zu haben, und wir müssten jeden Tag die Zimmer tauschen, ob das in Ordnung ginge? (Übrigens, wenn man oft genug »Unmöglich, lassen Sie sich was einfallen« wiederholt, bekommt man immer seinen Willen.)
• Fletch
• Unsere Vermieterin. Es ist mir egal, wie viel es kostet, eine zentrale Klimaanlage zu ersetzen. Wir blättern jeden Monat Tausende von Dollar hin, und zwar genau aus dem Grund, dass wir uns NICHT um Reparaturkosten kümmern müssen. Auch hier kann ich nur sagen: In unserer Wohnung herrschen 32°C, LASSEN SIE SICH WAS EINFALLEN.
• Meine Mutter. Ich werde GANZ BESTIMMT nicht am Tag vor unserer Abfahrt zu Eurem Hotel am O’Hare-Flughafen fahren, nur damit Du mein Hochzeitskleid sehen/kritisieren kannst, weil ich zufälligerweise damit beschäftigt bin, DIE REISE ZU MEINER HOCHZEIT VORZUBEREITEN.
• Fletch
• Den Tierarzt. Habe ich dem BÜNDELWEISE HUNDERTDOL-LARSCHEINE bezahlt, damit er die gesamte medizinische Betreuung der Hunde übernimmt, nur um nachher rauszufinden, dass er vergessen hat, Maisy gegen Zwingerhusten zu impfen, weshalb der Chicago Club Canine sich zunächst weigerte, sie ohne gültigen Impfschutz aufzunehmen?
Wie dem auch sei, wir sehen uns bald, vorausgesetzt, ich lande nicht vorher im Knast.
Jen
»Maisy, wir sitzen in der Tinte.«
Als die unverbesserliche Optimistin, die sie nun mal ist, antwortet Maisy darauf mit einem Ganzkörperwedeln, wobei sie ihr getupftes Hinterteil so heftig schwenkt, dass sie umkippt. Völlig unbeeindruckt steht sie wieder auf und knabbert herzhaft an meinen Zehen herum. Igitt. Keine Ahnung, wie sie die auch nur angucken kann, geschweige denn sie ablecken. Mein katastrophaler Erstversuch einer Eigenpediküre hat mir zwei eiternde eingewachsene Zehennägel und, bis die verheilt sind, ein leichtes Hinken beschert. Jetzt bin ich also nicht nur arbeitslos, sondern habe auch noch einen Klumpfuß. Toll.
»Maisy, ich meine es ernst. Wir sitzen bis zum Hals in der Tinte. Was sollen wir denn jetzt bloß machen?«
Maisys Vorschlag ist, erst mal meine aufgeschürften Knie abzulecken. Ach ja, die Freuden des Beinerasierens. Beim Versuch, sie eigenhändig mit Wachs zu enthaaren – wobei ich genauso vorgegangen bin, wie meine Kosmetikerin Petra es immer macht, wohlgemerkt -, waren die Schmerzen schier unerträglich. Am liebsten hätte ich mir selbst eine gescheuert, mir derart wehzutun, und ich schwöre, ich habe dabei mehr Hautfetzen abgerissen als Haare entfernt. Das Wachs, das die bei Molto Bene benutzen, muss irgendwie anders sein als der Billigkram aus der Drogerie. Hunde zu halten hat sich als wesentlich teurer herausgestellt denn gedacht, und wir haben inzwischen schon rund zweihundert Dollar für Tierarztrechnungen hingeblättert und mehrere hundert weitere für Futter und Zubehör. Weshalb ich mich dazu gezwungen sah, sämtliche nicht lebensnotwendigen kosmetischen Behandlungen vorerst auszusetzen. Bis auf Weiteres ist nur noch Schneiden und Färben beim Profi drin. Wenn ich sehe, wie die Kundinnen bei Molto Bene zwischen den einzelnen Behandlungen in flauschigen Bademänteln und Pediküre-Flipflops herumlaufen, spüre ich ein richtiges Ziehen in der Brust. 76
Wir haben einen echten finanziellen Engpass, seit das Justizministerium eine Untersuchung eingeleitet hat zur Durchleuchtung der Buchführungspraktiken von Fletchs Arbeitgeber. Seine ehemals fünfstelligen monatlichen Provisionen sind im Laufe der vergangenen Monate wie Eis in der Sonne dahingeschmolzen. Wie es scheint, will niemand mit einem Unternehmen Geschäf-te machen, das man allabendlich im Fernsehen sieht, weil sein Chef vor Gericht aussagen muss. Wen wundert’s. Er meint, sollte