Gucci war gestern: Bekenntnisse einer eingebildeten Glamour-Queen, oder warum Sie nie mit Ihrer Pradatasche aufs Arbeitsamt gehen sollten (German Edition)
sich unsere Finanzlage nicht grundlegend ändern, ehe meine Arbeitslosenunterstützung ausläuft, werden wir unsere Wohnung womöglich nicht halten können. Als er mir das sagte, bin ich ins Schlafzimmer gelaufen und habe mir die Bettdecke über den Kopf gezogen. Der Gedanke daran, irgendwo anders wohnen zu müssen, geht mir durch Mark und Bein. Allein bei der Vorstellung, in irgend so eine billige Zweizimmerklitsche in einem der vollkommen unangesagten Vororte ziehen zu müssen, würde ich am liebsten einen Eimer Chlorbleiche trinken.
Ich MUSS hierbleiben. Muss ich einfach. Um ganz ehrlich zu sein, beziehe ich einen viel zu großen Teil meines Selbstbewusstseins aus der Tatsache, dass ich in diesem Schmuckstück wohne. Früher habe ich mich über meine Arbeit definiert, jetzt bleibt mir nur noch die Wohnung. Sie allein macht es erträglich, dass ich mir nicht mehr die neuesten Sahnestückchen von Prada leisten kann. Ich kann damit leben, zu miesen Bewerbungsgesprächen gehen und um Stellen betteln zu müssen, bei denen man nur halb so viel verdient wie ich früher bekommen habe, solange mich abends mein traumhaftes Penthouse erwartet. Sobald ich in die Whirlpoolwanne steige, lösen sich sämtliche Unannehmlichkeiten des Tages einfach in Wohlgefallen auf und werden den Abfluss hinuntergespült. Und wenn ich auf meine Terrasse trete und den Blick über die Stadt schweifen lasse, habe ich das Gefühl, dass alles möglich ist. Diese Wohnung ist mein Anker; sie hilft mir, nicht den Verstand zu verlieren. Ohne diesen sicheren Hafen bin ich bloß noch so ein unbedeutender Niemand aus Indiana mit einem wertlosen Abschluss von einem staatlichen College.
Ehe ich entlassen wurde, haben wir mit dem Gedanken gespielt, die Wohnung zu kaufen. Jetzt besteht durchaus die Möglichkeit, dass wir uns nicht mal mehr die Miete leisten können. Das will mir einfach nicht in den Kopf, aber wie schon Scarlett O’Hara sagte: Verschieben wir es doch auf morgen, wenn ich den Gedanken ertragen kann.
Stattdessen suhle ich mich erst mal in einer ausgewachsenen Depression, denn heute ist El Cinco de Mayo, der 5. Mai, mexikanischer Nationalfeiertag, und ich sitze hier in Illinois fest. Zum ersten Mal seit Jahren bin ich nicht in Las Vegas, um mit ein bisschen Glücksspiel und Entspannung aufzutanken und meiner Sonnenbräune eine erste Starthilfe zu geben. Wie um Himmels willen soll ich dieses frische Limonengrün tragen, wenn ich nicht tief bronzebraun bin? Mit Selbstbräuner sehe ich höchstens aus wie ein gegrilltes Streifenhörnchen. Klar, ein paar Sonnenstrahlen habe ich dieses Frühjahr bei meinen Hundespaziergängen abbekommen, aber das ist nicht dasselbe. Wenn ich in den Spiegel gucke, denke ich immer: Hallo, Hui Buh, schön, dich zu sehen . Könnte ich in Las Vegas am Pool rumgammeln, wäre ich vermutlich schon so braun wie ein Brathähnchen. Doch leider hat Fletch mir einen Strich durch sämtliche Reisepläne gemacht, indem er mich taktvoll auf das Marco Island/Stromversorger-Debakel hinwies.
Alle Probleme würden sich in Wohlgefallen auflösen, könnte ich bloß endlich einen ordentlichen Job auftun. Aber es scheint ein Ding der Unmöglichkeit, ohne eigenes Auto eine Stelle im Außendienst zu bekommen. Eine supercoole Reisegesellschaft war drauf und dran, mir ein Angebot zu machen, bis ich nebenbei erwähnte, über keinen fahrbaren Untersatz zu verfügen. Bei Corp. Com. und Midwest IR Co. bekam ich für die meisten Meetings Flugtickets, und die wenigen Termine, zu denen ich nicht fliegen musste, waren bloß eine kleine Taxifahrt entfernt. Davor hatte ich einen Firmenwagen, weshalb ich also in den letzten fünf Jahren keinen eigenen Wagen gebraucht habe.
Ein neues Auto zu kaufen steht angesichts unserer finanziellen Schieflage vollkommen außer Frage. Vorher hatte ich vorgehabt, den Cadillac meiner Eltern zu kaufen. Als der Caddy noch funkelnagelneu war, liebte mein Vater ihn so heiß und innig, dass er ernsthaft überlegte, den Wagen neben dem Familiengrab auf dem Friedhof beisetzen zu lassen. »Mal ehrlich«, meinte er, »deine Mutter ist ja ganz nett, aber Ingenieurskunst wie diese findet man nur einmal im Leben.« Trotzdem erklärte er sich irgendwann bereit, mir den Wagen zu verkaufen, und zwar nachdem Mom irgendwann angefangen hatte, damit herumzukurven. Im Handumdrehen hatte sie sein makellos aufgeräumtes, auf Hochglanz poliertes Baby in einen rollenden Müllcontainer verwandelt. Auf dem Rücksitz stapelten sich aufgerissene
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