Gucci war gestern: Bekenntnisse einer eingebildeten Glamour-Queen, oder warum Sie nie mit Ihrer Pradatasche aufs Arbeitsamt gehen sollten (German Edition)
irgendwie schuldig.«
»Oder bist du vielleicht traurig?«
»Nein.«
»Ganz sicher?«
»Okay, vielleicht«, räume ich ein.
»Ja, ich auch.«
»Es ist bloß so schade, dass sie bestimmt nicht zusammen in ein neues Zuhause kommen. Katie hat erzählt, als die beiden gefunden wurden, haben sie geweint wie kleine Kinder, als sie in getrennte Boxen gesteckt wurden. Meinst du, die beiden werden einander sehr vermissen?«
»Darüber will ich eigentlich gar nicht nachdenken. Da schnürt sich mir der Hals zu.«
In tiefem Schweigen fahren wir weiter.
Ich sage: »Dass wir die beiden adoptieren, steht außer Frage. Ich meine, die sind viel zu teuer und machen alles kaputt. Und brauchen viel zu viel Zeit. Wie soll das gehen, wenn ich wieder arbeite?«
»Dafür gibt es Hundesitter.«
»Na ja, vermutlich müssten wir den Teppich im Schlafzimmer und im Arbeitszimmer erneuern, wenn wir sie behalten.«
»Wir könnten uns ja auch einen Dampfreiniger zulegen. Oder eine Putzfrau einstellen.«
»Aber dieser verflixte Pitbull … Wir müssten ihr irgendwie dieses ewige Winseln abgewöhnen.«
»Du brauchst sie bloß auf den Arm zu nehmen.«
»Und du hast keine Angst, dass sie die Katzen zerfleischt?«
»Sie liebt die Katzen. Vor allem Tucker. Hast du noch nie gesehen, wie die beiden sich zusammen auf der Couch räkeln?«
»Trotzdem, sie zu behalten wäre vollkommen irre.«
»Vollkommen.«
Ich drehe mich um und schaue mir die Hunde an, die friedlich auf dem Rücksitz schnarchen. Die beiden liegen in der Löffelchenstellung nebeneinander, ein einziger Knoten aus Pfoten und Schwänzen, und schlummern tief und fest. Ich merke, wie irgendwas in mir dahinschmilzt, und auf einmal wird es mir ganz weh ums Herz beim Gedanken daran, die beiden könnten nicht mehr Teil meines Lebens sein. Als wir zu der Ausfahrt kommen, die wir eigentlich nehmen müssen, wende ich mich an Fletch.
»Gibst du mir bitte dein Handy?«
»Wozu?« Er grinst. Er weiß es ganz genau, aber er will es aus meinem Mund hören.
Ich atme tief durch. »Damit ich Katie anrufen und ihr sagen kann, dass wir die Hunde behalten.«
Die gute Nachricht? Die Sexingtons sind weg! Die schlechte Nachricht? Jetzt haben wir genau die stylishen, coolen Nachbarn, die ich immer schon mal kennenlernen wollte. Warum das eine schlechte Nachricht ist? Weil die , Ironie des Schicksals, jetzt mich hassen.
Letzte Woche fiel mir auf, dass definitiv weniger Can’t Get Enough of Your Love, Baby in der Luft lag und durch die Wand in unser Schlafzimmer drang, weshalb ich annahm, die Sexingtons seien in Urlaub gefahren. Doch stattdessen war nebenan ein interessantes neues Pärchen eingezogen, dem bisher doch tatsächlich das Kunststück gelungen war, da zu sein, ohne mir geistig oder ästhetisch irgendwie Gewalt anzutun. Nachdem sie bereits fleißig Punkte gesammelt haben für Sauberkeit, Ruhe, Unauffälligkeit und Freundlichkeit, wächst auf ihrer Dachterrasse nun auch noch eine traumhaft schöne grüne Stadtoase heran, um die sie sich liebevoll kümmern. Und was noch besser ist, ihre Gartenmöbel haben sie im selben Laden gekauft wie wir unsere, sodass unsere Terrassen perfekt harmonieren! Wir könnten glatt aus demselben Ei gesprungen sein.
Fasziniert ob ihres offensichtlich guten Geschmacks habe ich gestern über das Balkongeländer ein Gespräch mit ihnen angefangen. Wobei ich dann erfahren habe, dass wir haufenweise gemeinsame Interessen haben, wie beispielsweise ein Herz für herrenlose Tiere und eine Vorliebe für Filme der Coen-Brüder. Es kommt nicht oft vor, dass ich so redselige und gebildete Menschen kennenlerne, also bin ich über meinen eigenen Schatten gesprungen, habe meine nachbarschaftlichen Ressentiments beiseitegelegt und sie einem spontanen, vollkommen unüberlegten Impuls folgend eingeladen, sich mit uns zusammen The Big Lebowski anzuschauen. Passend zum Film entschlossen wir uns, dazu White Russians zu servieren.
Gleich danach fing ich an, hektisch in der ganzen Wohnung herumzuwuseln, um mich zu vergewissern, dass auch wirklich alles perfekt für ihren Besuch hergerichtet war. Die Böden waren frisch gewachst, die Tierhaare von der Couch gesaugt, das Klo so sauber, dass man darin Bowle servieren könnte, und es duftete überall ganz köstlich, dank meiner besonderen Mischung aus Tulpen-, Baumwoll- und Flieder-Duftkerzen. Fletch stellte eine kleine Cocktailbar zusammen und trieb doch tatsächlich auch noch vier passende Whiskeygläser auf. Die standen nun da
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