Gucci war gestern
Kleinigkeiten sind dabei, wie beispielsweise ein hübscher Nagellack, eine Mix-CD und eine Tüte mit meinen Lieblingssüßigkeiten. »Das ist ja wunderbar!« Verzückt wühle ich in dem Karton herum und suche irgendeinen Hinweis auf den Absender.
Jen,
wollte Ihnen nur ein kleines Zeichen meiner Wertschätzung zukommen lassen. Sicher finden Sie es seltsam, dass ich Ihnen Geschenke schicke, vor allem, weil wir uns überhaupt nicht kennen, aber Ihr Rat war für mich Gold wert. Nur Ihretwegen habe ich meinen Freund nicht abserviert … oder sollte ich lieber sagen, meinen VERLOBTEN!
Obwohl ich Ihnen alles Gute für Ihr Vorstellungsgespräch wünsche, hofft eine kleine egoistische Stimme in meinem Kopf, dass Sie doch weiterschreiben. Aber ganz egal wie Sie sich auch entscheiden, danke, dass Sie jeden Tag ein bisschen Sonne in mein Leben bringen! Kelly aus Kanada
Mit einem Seitenblick auf die Gaben in meinem Schoß manövriert Fletch den Wagen aus der Seitenstraße. »Von wem ist das denn?«
Ganz gedankenverloren murmele ich nur: »Von einem Fan.«
Das Vorstellungsgespräch läuft ausnehmend gut, und als Unternehmen ist das Mutterschiff alles, was ich mir je von ihm erträumt habe. Sie machen mir ein wirklich großzügiges Angebot, und eigentlich sollte ich Purzelbäume schlagen vor Begeisterung. Und doch bin ich hin- und hergerissen. Sie haben mir bis Montag Bedenkzeit eingeräumt, um mich zu entscheiden, was ganz gut ist, weil ich im Moment nicht die leiseste Ahnung habe, was ich machen soll.
Einerseits ist dieser Job alles, was ich mir als Festanstellung je erträumt habe. Die Zusatzleistungen sind nicht von schlechten Eltern, die Aufstiegschancen großartig und die Bezahlung der Hammer. Andererseits, was, wenn ich tatsächlich die Gelegenheit hätte, als Autorin zu arbeiten? Die Literaturagentin möchte mich unter Vertrag nehmen. Das ist zwar keine Garantie für einen Erfolg, allerdings immerhin ein Anfang. Meine Mutter wollte wissen, warum ich denn nicht den Job annehmen und gleichzeitig schreiben kann, aber das geht einfach nicht. Ich kann immer nur eine Sache machen, und so viel, wie ich noch über den Anleihenmarkt lernen müsste, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, beides zu tun.
Und Fletch ist auch keine große Entscheidungshilfe. Der sagt mir bloß dauernd, ich soll tun, was ich für richtig halte, und er steht hinter jeder meiner Entscheidungen, egal wie die ausfällt. Bitte, was für ein Geschwafel!
Inzwischen bin ich mit den Nerven am Ende, und dass ich gerade mit der Atkins-Diät angefangen habe, trägt auch nicht unbedingt zu meiner seelischen Ausgeglichenheit bei. Ich wette, die Sache wäre klar wie Kloßbrühe, wenn ich doch bloß bei ein paar Marmeladendonuts darüber nachdenken könnte. Während ich damit beschäftigt bin, eine Entscheidungsmatrix in Form einer Tabelle zu entwerfen, klingelt mein Handy. »Hallo?«
»Jennifer, hier ist dein Bruder! Wie steht’s, Schweinchen Dick?«
»Todd, das ist genau der Grund, warum ich eigentlich nie ans Telefon gehe, wenn du anrufst.«
»Hey, du musst dieses Wochenende herkommen. Ich brauche dich.«
»Wenn du mich weiter Schweinchen Dick nennst, ist das eine todsichere Methode, damit ich dir ganz bestimmt nicht weiterhelfe.«
»Komm wieder runter, Schweinchen Dick. Du musst am Wochenende für uns Babysitten.«
Todd hat mich noch nie gebeten, auf seine Kinder aufzupassen. Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen steht auf meiner Stirn dick und fett in knallroten Buchstaben »verantwortungslos« geschrieben, und zwar seit damals, als ich seiner Nachkommenschaft eine Schachtel Streichhölzer gegeben habe. 194 »Ich bin eure letzte Hoffnung, stimmt’s?«
»So ziemlich. Jeans Schwestern haben alle schon was anderes vor, und ihre Eltern sind am Wochenende nicht zuhause. Mom wollte eigentlich Babysitten, aber der Arzt hat gesagt, sie darf nichts Schweres heben, und sie ist noch nicht so weit auf dem Damm, dass sie allein im Auto herfahren kann.« 195
»Und warum chauffiert Dad sie nicht einfach?«
»Die Ausscheidungsspiele in allen möglichen Ligen stehen an, die will er nicht verpassen.«
Für Todds Kinder mache ich eine Ausnahme von meiner generellen Kinderhasserregel. Die drei Knirpse sind tatsächlich ganz
lustig, und außerdem, wenn ich sie maßlos verwöhne, kann ich sie irgendwann gegen meinen Bruder verwenden. 196 Trotzdem sind sie nicht ohne, und weil sie so eine Art menschlicher Petrischalen sind, brüten sie eigentlich
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