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Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Titel: Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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müssen, stattdessen freute ich mich.
    »Sie haben in diesem Prozess ausgezeichnete Arbeit geleistet«, sagte er und trat auf meine Bank zu. Ich erhob mich, während er weitersprach.
    »Gestern habe ich die Protokolle der letzten Sitzung gelesen und genau das gedacht. Ausgezeichnete Arbeit. Ich werde beantragen, dass das Urteil aus erster Instanz bestätigt wird. Aber es war mir ein Anliegen, Ihnen zu sagen, dass ich lange darüber nachdenken musste. Viel länger, als ich das in solchen Fällen normalerweise tue.«
    Während die Richter in den Saal kamen, gab er mir die Hand. Ich weiß nicht, warum, aber sein Händedruck vermittelte mir ein wenig Traurigkeit und eine unergründliche Wehmut. Dann wandte er mir den Rücken zu, um an seinen Platz zurückzukehren, und so sah er nicht, wie ich mich kaum merklich verneigte und dabei mit der Stirn die rechte Faust berührte. Ein Gruß und ein Zeichen des Respekts, wie sie Margherita mir beigebracht hatte.
    Wo war sie wohl in diesem Augenblick?
    Einen Moment lang verschwamm über dieser Frage alles um mich herum, und die Stimmen verschmolzen ineinander. Als ich wieder einigermaßen bei mir war, hatte Montaruli bereits zu sprechen begonnen.
    »... weshalb wir die Leistung des Verteidigers durchaus zu schätzen wissen. Eine ungewöhnliche Leistung, nicht nur vom Aufwand her, sondern auch qualitativ, das muss gesagt werden. Dennoch ist in diesem Prozess nichts entscheidend Neues hinzugekommen, was sich zu Gunsten des Angeklagten auswirken könnte.
    Das Auffinden der Drogen im Privatfahrzeug des Angeklagten stellt einen eminent wichtigen Beweis dar. Diesem Beweis kann der Verteidiger bei aller Mühe nur schwache Vermutungen entgegenhalten, Vermutungen, die nicht ausreichen, um das Urteil aus erster Instanz bzw. die ihm zugrunde liegende Beweislage zu entkräften. Denn der bloße Versuch, erstinstanzlich zum Tathergang vage Alternativen gegenüberzustellen, genügt natürlich nicht, um diese automatisch zu widerlegen.
    Sonst würde es ja in keinem Prozess zu einer Verurteilung kommen. Jeder festgestellte Tathergang kann irgendwie in Frage gestellt werden. Wer mit solchen Hypothesen jedoch einen Antrag und erst recht ein Urteil auf Freispruch untermauern möchte, muss ihnen schon ein Minimum an Plausibilität verleihen.
    Der Kassationshof hat klargestellt, dass ein Indizienbeweis es ermöglichen muss, den Tathergang eindeutig zu klären, so eindeutig, dass jede andere vernünftig erscheinende Lösung ausgeschlossen werden kann – die Betonung liegt auf vernünftig; abwegige oder gänzlich spekulative Sachverhaltsschilderungen scheiden von allein aus. Andernfalls würde es ausreichen, den Richter darauf hinzuweisen, dass die Dinge auch anders gelaufen sein könnten als von der Anklage dargestellt, denn nichts ist bekanntlich unmöglich, um den Freispruch eines Angeklagten zu erwirken. Andernfalls dürfte nicht länger von Indizienbeweis gesprochen werden; dann müsste man von einem Beweis per absurdum sprechen und sich an Regeln orientieren, die in den Bereich der exakten Wissenschaften gehören – was in der Rechtsprechung freilich nicht verlangt werden kann.
    In einem Prozess wird die Glaubwürdigkeit der von den Parteien vorgetragenen jeweiligen Erklärungsmodelle hinsichtlich des Sachverhalts bewertet, und die plausibelste dieser Hypothesen dient dann als Grundlage für das Urteil. Plausibel ist eine Hypothese aber nur, wenn sich anhand ihrer alle Elemente, die im Lauf des Prozesses und der Ermittlungen zu Tage getreten sind, miteinander in Zusammenhang bringen lassen – folgerichtig und überzeugend.
    In dem Fall, der uns hier beschäftigt, steht keines der neu hinzugekommenen Beweismittel, die uns die Verteidigung hier präsentiert hat, im Widerspruch zur Hypothese der Anklage. Ja, mehr noch, es wäre ein Leichtes, sie in dieser Hypothese unterzubringen. Lassen Sie mich rasch erklären, wie.«
    Er erklärte uns rasch, wie. Und seine Erklärungen klangen vernünftig und überzeugend.
    Ich schweifte ein paar Minuten ab, in denen ich mir vorzustellen versuchte, was ein anderer Staatsanwalt an Montarulis Stelle gesagt hätte. Porcelli, zum Beispiel. Als ich mich wieder auf Montaruli konzentrierte, hatte er es gerade von Macrì.
    »Kein Zweifel – das Verhalten des Zeugen Macrì war nicht sonderlich transparent, weder im Verlauf seiner Anhörung noch in dieser ganzen Geschichte.
    Mit Sicherheit hat er uns nicht die volle Wahrheit über seine Beziehungen zu Romanazzi, Luca

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